"Wir haben noch alle Zeit der
Welt...", so ein
Unsinn!
Das
Unsterblichkeitssyndrom in Theorie und Praxis
©
Rudolf
Fiala, 15. 5.
2008, revidiert 30.05.2022
„Wir haben noch alle Zeit der
Welt,
und...”, oder „Ich habe
noch alle Zeit meines Lebens,
und will das und das jetzt nicht
tun...”
Es ist erstaunlich, dass intelligente Leute im zB.+5. Lebensjahrzehnt
so einen Unsinn glauben und diesen anderen Leuten mitteilen.
Quasi als Ausrede, wenn sie etwas Bestimmtes gerade nicht tun
wollen.
Wenn das dann noch von einer österr.
Literatur-Preisträgerin
gesagt wird und zitierfreudige Literaturfreunde das immer wieder
erwähnen, wird es total gespenstisch.
Warum? Die erwähnte Literaturpreisträgerin Ingeborg
Bachman
ist nämlich relativ kurz nach ihrem "optimistischen", aber
leider
irrtümlichen Ausspruch an den Folgen eines Feuers in
ihrem
Haus verstorben. Link
zu Ingeborg Bachmann.
Ich habe diese Zitate in meinem Bekanntenkreis auch erlebt
und daraus
entstand
zuletzt der folgende Email-Entwurf, in der die Problematik so
beschrieben ist,
dass ich mir eine weitere Arbeit mit einer Neuabhandlung ersparen kann.
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Unabgesendeter Brieftext-Entwurf 2008 an eine Bekannte:
.....
..... Nun weiter im Brieftext:
In einem Radiosendungstext über Ingeborg Bachmann habe ich
sinngemäß gefunden:
« Ingeborg Bachmann sprach
immer vom Hunger nach einer „himmlischen Erde”.
Und meinte, im "Herzland" gelte ein neues Gesetz der
glücklichen Zeit:
„Wir haben keine Eile. Es bleibt uns noch das ganze
Leben.” ...»
Nun, Ingeborg Bachmann war sicher berechtigt, an ihre eigenen Worte zu
glauben.
Sie für richtig zu halten, bis zu jener Sekunde des
Feuerausbruchs nach einer Zigarette, der die Sinnhaftigkeit der
Arbeitshypothese "keine Eile haben"
plötzlich und unänderbar in diesem "ganzen Leben" ad
absurdum
führte!
Wobei noch ihre Tablettensucht zu berücksichtigen
wäre und noch die Möglichkeit einer
Selbstmordabsicht.
Als diese Zeilen 2001 im Radio hörbar waren, warst Du noch
jünger
als Ingeborg Bachmann an ihrem Todestag und heute 2008 hast Du schon
eine
längere Lebenszeit
als Ingeborg Bachmann erreicht.
Als ich in Deinem Alter war, dachte ich auch "noch soviel
Zeit, ich bin
doch nicht einmal noch Fünfzig..."
Theorie, pure unverantwortbare Theorie, wie ich heute aus der
Erfahrung weiß!
Die Zeit läuft subjektiv immer schneller, die
Leistungsfähigkeit wird objektiv immer schlechter und das
einzig Gute
für gehirnaktive Menschen ist die geringere
Schlafnotwendigkeit, was aber auch nur Sinn macht, wenn man sich in der
Frühe sinnvoll beschäftigen kann und nicht
schlaflos im Bett herumwälzt.
Und "Herzland"? Gerade im "Herzland" hat
Ingeborg Bachmann
doch so massiv und nachweisbar geirrt.
Ein Feuer.... und das ganze "Herzland" verbrannt.
Ich habe viele verstorbene Bekannte, die auch so ab 45
selbstzufrieden
das Unsterblichkeitssyndrom pflegten.
Letale Herzinfarkte, gehäuft
ab ca. 53ig, Schlaganfälle, Krebs, Autounfälle,
Flugzeugabstürze (von jenen 10 Kollegen der
Segelflug-Nationalmannschaft eines bestimmten Jahres, der ich
angehörte, sind über die Folgejahre verteilt 7
tödlich abgestürzt, davon 2 Weltmeister(!) - der
Hauptgrund der Beendigung meiner fliegerischen
Karriere plus einiger "gerade noch gutgeganger" eigenen
Grenzerfahrungen im Langstrecken-Segelflug).
Von dem derzeit so oft hörbaren Satz
Entscheidungsunwilliger "noch alle Zeit vor mir..." oder
ähnlich graut
mir schon. Gruslich.....
Den Sprechern dieses Satzes ist offensichtlich nicht klar, dass
"alle
Zeit" ein Begriff ist, der schlagartig endet, sei es durch
Tod oder
Krankheit. Zeitpunkt unbekannt, aber je älter, umso
wahrscheinlicher bei
unbekannter "Restzeit"!
Morgen, ja morgen schon kann alles kaputt sein.
Tempora mutantur et nos mutamur in illis.....
Altersbedingt bin ich mir dieser Tatsache sehr bewusst, und
ich will
gar nicht behaupten, dass Du Dir dessen auch nicht bewusst bist.
Aber mit einem großen Nachteil muss ich
fertig werden: Bei
mir funktioniert der Verdrängungsmechanismus nicht mehr so wie
früher
...
Wie auch bei vielen Menschen über Fünfzig, deren
Ungeduld ja schon sprichwörtlich ist.
Fazit:
Du hast doch jetzt die Chance, vieles von dem was Ingeborg
Bachmann so
treffend als erstrebenswert hinstellt, zu realisieren!
Ergo, carpe diem! Nütze die Zeit des Lebens ohne
bequemer Ausreden, sie ist
ohnedies beschränkt, sagt Dir ein - leider - vom
Unsterblichkeitssyndrom Geheilter.
Und zur eventuellen Auffrischung wegen besonderer
Aktualität der prophetischen Schlusssatz,
auch aus
einer Radiosendung:
„Bitterlich ist das Versäumen!”
Erstaunlich
ist, dass es noch
immer Menschen gibt, die der Philosophie des Wartens, und Wartens, und
Wartens ..., quasi des "Ewigen Wartens" mit völlig fatalistischer
Erfolgserwartung anhängen und das sogar als Richtschnur öffentlich
kundtun.
Etwas vielleicht irgendwann "gemacht bekommen" - oder auch
nicht - statt "selbst machen" ...
Rudolf
Fiala
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