Laienspiritualität 30: Egal was, wie und wem Sie für Ihre Spiritualität glauben, oder auch nicht,
Sie können es in eigener Verantwortung und Überzeugung tun.

Beim teilweisen oder ganzen "In-die-Hand-nehmen" Ihres Glaubens mögen Ihnen meine Abhandlungen
und Linkangaben helfen.

© Rudolf Fiala, 17. 11. 2009, check 21.06.2022
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Trotz der mehrfach empfundenen Gnade: Noch immer Zweifel?

Der bissige Agnostizismus stempelt gläubiges Erleben und Erfahren zur religiösen Schwärmerei.
Meine Erlebnisse sind aber so signifikant, dass ich einfach nicht mehr zweifeln will!


Der aggressive Agnostizismus, quasi fast ein realer Atheismus, der nicht nur dort, wo man es erwartet so agiert und reagiert, wie es eben dem Begriff der Gottes-Verneinung entspricht - nämlich außerhalb der privaten und professionellen Glaubenswelten - ist Basis von ablehnendem, ja be- und verurteilendem Verhalten durch Menschen, die mit der eigenverantwortlichen Gläubigkeit anderer Menschen konfrontiert werden.

Auf den ersten Blick noch viel verwirrender ist, dass viele - nicht alle - Kirchenprofis, deren tägliches Brot doch der Glaube an Gott und dessen bestätigende Vermittlung ist, mit der auf Erfahrungen beruhenden bekennenden Gläubigkeit eines "erhellten" (Calvin "Vivifikation", also "lebendiggemachten") Menschen nichts anfangen können. Keine Verarbeitungshilfe bieten, keine Bestätigung liefern, keine Ermutigung aussprechen können oder wollen.
Das scheint auf seltsame Art irgendwie atheistisch oder sogar nihilistisch zu sein.

Auf den zweiten Blick allerdings nicht mehr: Denn was soll ein Mensch, der trotz seiner Ausbildung, seines darauffolgenden Berufs als zB. Priester/PfarrerIn und seines faustischen "durchaus heißen Begehrens" einer Erhellung, Erleuchtung, Vivifikatio, was auch immer - der also einem wirklichen Gotteserlebnis nicht teilhaftig wurde - schon über etwas sagen, dass ihm/ihr letztendlich fremd ist?

Im Gegenteil: Die Realitäten an Gräbern und Krankenbetten, das fast unendliche Leid, das ein empathisch veranlagte(r) PfarrerIn mitempfinden muss, ist doch die zerstörerische Quelle und Ursache für fast endlosen Zweifel an einem personenbezogen handelndem Gott.
Was übrigens Untersuchungen in Deutschland bestätigen, nach denen etwa drei Viertel der evangelischen Pfarrer überhaupt nicht an das glauben, was sie predigen und sich letztendlich nur mehr dem Dienst an der Gemeinde widmen. Sich vielleicht nur als Märchenonkel/Tante mit ein paar dienlichen Ressourcen verstehen, könnte sein... 
Der Verlust der Glaubensidentifikation hat noch etwas viel Tragischeres zur Folge: Die Berufsgruppe der Pfarrer hat nach deutschen Statistiken die höchste Selbstmordrate aller Berufsausübenden! (2009)


Muss das wirklich so sein?

Nun, das elitäre Denken der hochrangigen Schulungsinstitutionen, im Normalfall Universitäten, scheint zwar künftige Erfolge zu versprechen, Frustrationen a priori abblocken zu können, Glaubensgeborgenheit zu vermitteln.
Für jene, die als Lehrer auf den Universitäten verbleiben und dieses Ringelspiel der Argumentation im geschützten Bereich am Laufen halten, mag das durchaus stimmen.
Aber jene, die aus dem gutgepflegten Garten ausgewildert werden, und die ganz Wenigen, die tatsächlich den Beruf "Kirche" ergreifen, stehen den schonungslosen Realitäten des kirchlichen Lebens - von den Taufen bis zur Abwicklung von Todesfällen, aber auch innerkirchlicher Konkurrenz, Kritik und marktwirtschaftlichen Entscheidungsprozessen  - gegenüber.

Jene, die als Pfarramtskandidaten einem hochspirituellen Mentor begegnen, haben ja noch großes Glück, eine Garantie zur Vertiefung der Gläubigkeit an sich ist das aber nicht. Besonders wenn Kandidaten im universitären elitären Denken verhaftet bleiben.
Der Schritt vom menschengeschaffenen Theorie-Ringelspiel zum prinzipiell - und somit uninterpretierbaren - "Verborgenen Gott" und der Versuch der wirklich eigenverantwortlichen - also nicht fremdgesteuerten - Gläubigkeit im postuniversitären Leben ist sicher nicht leicht.
Sofern er/sie nicht ohnedies aus dem Dunstkreis dieses Theoriebetriebes wegen gläubiger Unvereinbarkeit schon ausgestiegen ist.


Zur nicht verinnerlichten, nicht durch Gnade erlebten Gläubigkeit sehe ich ein prinzipielles großes Problem:

Ein Farbenblinder,  kann zwar auf wissenschaftlicher Basis über Farben referieren, aber sehen, verstehen und vor allem empfinden in letzter Konsequenz wird er das, worüber er referiert nicht! Theorie "zum dienstlichen Gebrauch" eben, nicht mehr.

Und wie könnte man da annehmen, dass Menschen, die noch nie eines bewussten Gnadeerlebnisses teilhaftig geworden sind, "Gnade" samt ihren Auswirkungen überhaupt verstehen würden? Vielleicht schemenhaft erahnen bei inspirierter Veranlagung, aber wirklich verstehen? Kaum.
So wie wir alle auch Gott schlechthin nicht verstehen, wie Kardinal Erzbischof Schönborn 2008 anmerkte:

Gedanken zum Evangelium am 14. Sonntag im Jahreskreis; Vollinhaltliches Teilzitat
(Verwendungserlaubnis liegt vor) daraus:

„.... Doch ehrlich: Wer kann von sich sagen, er kenne Gott wirklich? Was wir von Gott wissen, ist Ahnung, meist ein recht unbestimmter Glauben "an eine höhere Macht". Aber so wirklich, so ganz und gar, kennt doch keiner von uns Gott.”

Sehr offenherzige und anerkennenswerte Worte des obersten österreichischen Katholiken!


Gläubige Empfindung ist das Calvin'sche Geheimnis, der einzige Weg, der uns - wie die Sprache so gut sagt - Gott und Seine Gnade "empfinden" lässt.
"Empfinden" ohne verifizierbaren oder falsifizierbaren Beweis! Nur pure, von der "Ekklesiologie" (eigentlich fälschlich "Theologie"!) nicht angekränkelte Gläubigkeit.
Kein "Tand aus Menschenhand" wie die Milliarden an Buchseiten, die das Geheimnis "Gott" beweisen wollen. Was NIE gelingen wir, auch wenn die Bücher den Erdball lückenlos bedecken würden.

"Gott sei Dank" - wörtlich gemeint - gibt es Menschen, für die aus ihren ihr Leben betreffenden, auch mehrfachen Erfahrungen heraus die Liebe und Gnade Gottes unbedingte Wahrheit ist. Quasi ein gefühlter "privater" Gottesbeweis.
Dass diese wenigen Menschen damit nicht öffentlich hausieren gehen, wie die wenigen Erleuchteten mit ihrer "Erleuchtung" auch nicht, liegt in der Natur der Sache. Eine private Natur eben, die es nicht bis auf die Kanzel schafft. Schade, sehr sehr schade!
 
Wenn sich mal jemand wirklich deklariert, wird das seit der Reformationszeit als "Schwärmerei" beurteilt: der freundlich klingende Aburteilungsbegriff für unprofessionelle Glaubensdilettanten. Doktrinär unbeeinflussbare kirchenfreie Gläubige eben.
Einzelmenschen, die in der heutigen glaubensmüden Zeit mit immer mehr Kirchenaustritten, ihre Gewissheit der Gläubigkeit nicht auf dem Altar der manipulativen, ekklesiologischen Gleichmacherei opfern.
Gruppenlose, streng subjektive Einzelmenschen ohne objektivierbare Beurteilungskriterien. Grund für Verunsicherung und Missfallen für die Konservativen und/oder Fundamentalisten. Auch für die Evangelikalen, nicht zu vergessen ...

Die scheinbar nicht objektivierbaren Beurteilungskriterien beruhen auf der einfachen Tatsache, dass kirchen-ungebundene Gläubige kaum der vier offiziellen Evangelien samt ihrer Widersprüchlichkeiten, oder der Seltsamkeiten der Apokalypse des Johannes etc. bedürfen, ja auch nicht der Ungeheuerlichkeiten des Alten Testamentes, die oft den Eindruck der Vergewaltigung des Gottesprinzips erwecken. Menschengeschaffene Ungeheuerlichkeiten unter dem Deckmantel angeblicher Offenbarungen und manchmal abgeschwächt als "Verkündigungen" getarnt.
Beklagenswerte Makulatur. Und welche Unterschiede zwischen Jesus und dem tatsächlichen Religionsgründer Paulus bestehen kann z.B. hier nachgelesen werden. Einmal von der derzeit unbestrittenen Tatsache abgesehen, dass die Paulusbriefe gar nicht von einer einzelnen Person verfasst sein sollen.

Nun, wer kann diesen gläubigen Dogmatikbefreiten dann böse sein, wenn sie lieber unerkannt bleiben wollen? Von Kirchenprofis nicht lächerlich oder verächtlich gemacht werden wollen?  Sei es im direkten Gespräch oder hinter ihrem Rücken. Schon gemachte Erfahrung können die Basis dieser "Zurückhaltung" sein. Wie z.B. die kalte Dusche in einem am Anfang vertrauensvollem, also öffnendem Gespräch:
"Du solltest mal professionelle Hilfe annehmen..."; aufbauend nicht wahr?


Ist das Feigheit?
Nein, Vorsicht unter dem vielleicht langjährigem Wissen, ohnedies nichts Wesentliches ändern zu können. Besonders wenn sich dieser dogmenfreie Gläubige noch in lebenserhaltenden Abhängigkeiten, z.B. durch sein noch aktives Berufsleben, befindet.
Wenn ihm außerdem noch eine große Kommunikationsbasis fehlt - weil er z.B. die Möglichkeiten des Internets nicht ausnutzt -, welche Mitteilungsmöglichkeit hat er dann schon ... Ein Gespräch mit dem Pfarrer am Kirchentor oder bei einer Privataudienz oder auch eine kollegiale(?) "Supervision", mehr gibt's nicht. Vielleicht bestenfalls noch das Kommentar "das sind sehr spannende Fragen, die Sie da haben" oder ähnliches.

Interessant ist aber, dass bei Erreichen oder Näherkommen der Pension vorher scheinbar konservative Kirchenverpflichtete plötzlich mit anderem, als dem bisher von ihnen Gehörten aufmerken lassen. In Büchern, im Fernsehen, im Radio. Und in seltenen - glücklichen - Fällen sogar im privaten Gespräch im stillen Kämmerlein oder zwischen den Kirchenbänken.

Durch ein möglichst hohes Rentenalter - wie bei den Katholiken - oder/und durch Einsetzung in Ehrenämtern kann man diesen Zeitpunkt weit hinausschieben oder sogar verhindern. Quasi der gläubigen Selbstverwirklichung einen schweren Riegel vorschieben.
(Diese Maulkorbprinzip klappt auch bei Jung-RevoluzzerInnen mit entsprechender Hierarchie-Einbindung. Samt Einkommen und/oder "Ehre", klar.)


Die hochgelobte Evangelische Freiheit ein Phantom?

Also Luthers "Spezialfreiheit" im Kurzsatz "Sündige tapfer, aber glaube tapferer" enthalten, kann wie Vieles von Luther heutzutage kaum mehr als richtig angesehen werden. So manche(r) LutheranerIn wäre öffentlich kundgetan froher, wenn Luther weniger "Worte", besonders ab 1525 produziert hätte. Es würde dem Fundament der Lutherischen Kirche schlicht mehr Glaubwürdigkeit verleihen. Die Barmer Erklärung, kurz: "nur die Evangelien zählen", bietet zwar einen symbolischen Schranken gegen allzu Radikales, das Pech ist nur, dass diese Erklärung ein (gewolltes?) Mauerblümchendasein fristet, auch wenn sie z.B. im Österr. Evang. Kirchengesangsbuch enthalten ist. Allerdings fristen auch die späten Ungeheuerlichkeiten Luthers ein unbeachtetes Mauerblümchendasein, dank Internet und suchender Evangelischen werden diese aber immer mehr Menschen bekannt. Zum Leidwesen der wenigen evang. Fundamentalisten und zur - unterstellten - Freude des Papstes, für den evangelische Konfessionen noch immer keine "Kirche" darstellen. Wen wundert's?

Als ich Laie anfangs 2008 durch meine erste Abhandlung mit Internetrecherchen begann, war ich völlig unbelastet von derlei. Die Namen Luther, Calvin, das fordernde Vater-Unser , das Glaubensbekenntnis und ein paar bekannte Kirchenlieder; dass war's ursprünglich.
Und dann wurden mir die Augen geöffnet, die Naivität der Passivität ist endgültig und unwiederbringlich vorbei.
Heute (Nr. 30 hier geschrieben Ende 2009), fast 2 Jahre und dank vieler Anregungen von außen und folgerichtig weiterer inspirierter(?) Denkarbeit viele Abhandlungen später, bin ich froh darüber.

Das hat für mich nämlich zu einer Gottesempfindung (Calvin) geführt, die der alten Zöpfe nicht mehr bedarf. Und mir tut jeder leid, der aus beruflichen Gründe die alten Zöpfe weiter pflegen muss, anstatt sie unwiderruflich abzuschneiden. Sei es das Zölibat, die unbefriedigende Ökumene oder die vielen, vielen Ungereimtheiten in Literatur und Liturgie.
Beispiel: die evang. Rechtfertigungslehre mit dem a priori gerechtfertigten Menschen und im Kontrast dazu dem "zu richten die..." im offiziellen evangelischen Glaubensbekenntnis. Eine seltsame Ungereimtheit, der man eine gewisse Manipulationsabsicht unterstellen könnte.
Auch über die Absolutionsformel im Gottesdienst für einen prinzipiell gerechtfertigten Menschen will ich jetzt nicht weiter nachdenken. Natürlich ist das psychotherapeutische Kultur für Bedürftige und/oder Zweifler, theologisch aber mehr nicht.

Zur Rechtfertigung der Sinnhaftigkeit von Kirchen - von deren Sozialfunktion mal abgesehen - möchte ich aber schon dezidiert anmerken, dass für jene Menschen, die dem offensichtlich angeborenen oder angelernten Bedürfnis nach "Glaube" folgen wollen, Gedankengebäude errichtet wurden, in die sie eintreten könn(t)en, auch ohne jede besondere Eigeninitiative und Eigenverantwortung. Quasi ein anwendbares Standardprozedere mit einer gewissen Erfolgswahrscheinlichkeit. Sowohl für die Kirchenbesucher als auch für die Kirchen-mit-"Arbeiter".
Die auf röm. Kaisern und Päpsten beruhende Jesus-Ferne mancher Kirchen ist schon sehr bedenklich, siehe:
"Kirchenregeln" nicht von Christus geschaffen: http://ww3.das-weisse-pferd.com/99_22/oekumene_kultreligion.html


Nun letztendlich, falls es den Leser interessiert: Wie halte ich es mit der Gläubigkeit, meinen persönlichen Gnadeerlebnissen und dem scheinbar absurden Bekenntnis zu einem unbeweisbaren Gott?

Ich habe einige Tage über eine relevante Formulierung nachgedacht und bin zu keinem mich erfreuenden Ergebnis gekommen.




Nachtrag 23.12.2009:  Nach dieser Abhandlung ist mir
plötzlich bewusst geworden, dass ich für mich die
Bezeichnung "Agnostiker", also "Nichtwissender, ob es
einen Gott gibt" nicht mehr verwenden sollte.
Alle gnadevollen Ereignisse meines Lebens nur dem Zufall
zuzuordnen, wäre quasi eine Beleidigung wider den Geist.

  
Rudolf Fiala

Postskriptum: Für viele Menschen ist die Existenz Gottes und/oder eines
göttlichen Prinzips unwahrscheinlich und unvorstellbar; wird also abgelehnt.

Genau so unwahrscheinlich, wie der eigene Tod im Straßenverkehr.
Doch genau dieser tritt trotz Unwahrscheinlichkeit pro Jahr weltweit
für mehr als 1.000.000 Menschen ein! Sogar quasi absolut sicher.
Und trotzdem boomt der Autoverkehr und wird nicht abgelehnt.

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