» Die eigenverantwortliche dogmenfreie Gläubigkeit «

Laienspiritualität 64:
Egal was, wie und wem Sie für Ihre Spiritualität glauben - oder auch nicht -,
Sie könnten es in eigener Verantwortung und Überzeugung tun.
Beim teilweisen oder ganzen "In-die-Hand-nehmen" Ihres Glaubens mögen Ihnen meine Abhandlungen und Linkangaben helfen.

Wegen der mir wichtig erscheinenen Thesen in Prof. Frederic Vesters Abhandlung,
hier auf meiner Website zur Bekanntheits-Auffrischung dieses schon relativ alten, aber hochaktuellen Artikels!
Hauptseite mit Emailadresse
Prof. Dr. Frederic Vester: Buch "Leitmotiv vernetztes Denken" 1980: Der Schlussartikel daraus:

Der Gott, der in Allem ist / Warum wurde Naturgott Pan verteufelt?


Frederic Vester in Wikipedia

© Internetseite Rudolf Fiala, 22.2.12 /Aschermittwoch und  23.2.      check 13.6.22
© Frederic Vester; veröffentlichte seine Abhandlung 1970 und 1988


Durch einen Zufall geriet mir das Buch von Frederic Vester in die Hände.
Das letzte Kapitel im Inhaltsverzeichnis mit dem obigen Titel erweckte naturgemäß sofort mein Interesse und den Entschluss, dieses meinen Lesern auch lesbar zu machen.
Nicht nur wegen des Inhaltes an sich, sondern auch weil teilweise - also nicht in Allem - Übereinstimmungen mit meinen eigenen Gedanken gegeben ist. Einige meiner Bedenken und Zweifel bezüglich meiner vielleicht zu kirchenkritischen Betrachtungsweise diverser Geschehnisse erscheinen damit entschärft. 24 Jahre nach Veröffentlichung gibt es auch "Inseln der Hoffnung", siehe Nachwort.

Leider ist Herr Prof. Vester schon verstorben, eine Dankbotschaft an ihn muss somit entfallen.


DER GOTT, DER IN ALLEM IST
WARUM WURDE NATURGOTT PAN VERTEUFELT?

Wenn wir Erfolg darin haben wollen, das Leben auf unserem Planeten zu erhalten und bereits aufgetretene Schädigungen zu heilen, müssen wir auf jeden Fall das >vernetzte Denken< praktizieren und danach handeln. Aber noch steckt die Einführung einer >vernetzten Sichtweise< in vielen Gesellschaftsbereichen in den Kinderschuhen. Noch ist der Egoismus vieler Macher so tief verankert, daß sie nicht erkennen, daß das einfache, lineare Denken >machen um zu haben< selbstschädigend ist.

Das industrielle Zeitalter, das im wesentlichen von den westlichen Zivilisationen eingeleitet und bis heute vorangetrieben wurde und das diese zerstörerische Wirkung auf unsere Erde entfaltete, ist auf jeden Fall untrennbar verbunden mit der Religion, die seit Jahrhunderten zur Expansion, zum >Machen< aufforderte: »Macht euch die Erde untertan!«

Auch wenn heute (1970/1988!) die westlichen Kirchen, selbst die katholische, zur Mäßigung und >Bewahrung der Schöpfung< auffordern, so hat besonders die letztere über viele Jahrhunderte hinweg nicht nur geschwiegen, wenn diese Schöpfung rücksichtslos genutzt wurde; ein Franz von Assisi hat hier höchstens eine Alibifunktion. Viel intensiver hat diese Kirche auch die Forschung (beispielsweise Galilei) oder auch das Lernen beeinflußt — also auch die Emanzipation des Menschen. Da aber die Kirchen noch immer mächtige Institutionen in unserer Gesellschaft sind und ihr Gedankengut noch immer großen Einfluß auf die Menschen hat, möchte ich mich mit ihnen von meinem Wissen um die Vernetzung zwischen Körper, Seele und Geist, zwischen Mensch und Erde und allen Schöpfungen im Universum Gottes auseinandersetzen — denn wollen wir Natur als >die Schöpfung Gottes< bewahren, müssen viele überkommene religiöse Ansichten revidiert, modifiziert oder verworfen werden.

Als Kirchenmitglied habe ich das bereits vor vielen Jahren getan, und die Konsequenz war, daß ich damals aus dieser Institution ausgetreten bin. Wenn ich nun meine Überlegungen zu meinem damaligen Kirchenaustritt schildere, dann deswegen, weil ich einen Anstoß dazu geben möchte, daß Positionen überprüft — und vielleicht neu gesetzt werden.

Vor vielen Jahren bereits kam mir die Einsicht, daß von einer Glaubensinstitution wie der Kirche — mit einem Monopol als höchste moralische Instanz und dem Anspruch, allein die Wahrheit zu besitzen — eigentlich gar nichts anderes zu erwarten war als das, was ich in ihr an üblen Einflüssen entdeckt und was mich letzten Endes so sehr an ihr >enttäuscht< und zu meinem Entschluß des Kirchenaustritts geführt hatte. Für die Enttäuschung kann ich nicht die Kirche, sondern muß ich mich verantwortlich machen, der ich mir offenbar unreale, falsche Vorstellungen von den Möglichkeiten und Absichten einer solchen Einrichtung gebildet hatte.
Den Entschluß faßten meine Frau und ich übrigens gemeinsam, wobei der Gedanke an unsere Kinder, denen wir die verkrampfenden Wirkungen des kirchlichen Einflusses ersparen wollten, den Ausschlag gab. Vielleicht war sogar das Entsetzen, welches wir seinerzeit beim Lesen der Religions-Schulbücher empfanden, der auslösende Faktor gewesen. Einmal darauf aufmerksam geworden, entdeckten wir in fast allen Schulbüchern daß — manchmal offen, manchmal versteckt — das Leiden immer höher eingeschätzt wurde als die Freude. Martyrium, gleich welchen Anlasses, wurde als bewundernswert gepriesen. Wie weit der Einfluß dieser christlichen Moral das Schulwesen überhaupt geprägt hat, sehen wir daran, daß das Lernen selber nur dann für eine würdige Beschäftigung gehalten wird, wenn es mit Leiden verbunden ist, und daß ein Unterricht unangemessen erscheint, wenn er dem Schüler leichtgemacht wird oder gar Spaß bereitet, obgleich die Effizienz dadurch sehr erhöht würde.
Eine weitere christliche Grundhaltung, nämlich zu glauben statt zu prüfen, spiegelt sich wiederum in der in unseren Schulen herrschenden Tendenz, das kritiklose Hinnehmen des Lehrstoffs zur Tugend zu erheben und damit eigene Suchimpulse weitgehend auszuschalten.

Alle Gründe, die zu unserem Entschluß führten, kulminierten schließlich in der wachsenden Einsicht, daß von der katholischen wie auch von der evangelischen Kirche, der wir bis dahin angehörten, in den vergangenen Jahrhunderten mit die übelsten Einflüsse auf die Menschen und ihre Beziehungen untereinander ausgegangen sind. In gewissem Grade gilt das wahrscheinlich auch für einige andere große Religionen. Vielleicht spricht daraus sogar ein Gesetz, nämlich, daß eine in sich gute und selbstlose Lehre, als welche auch die Lehre Jesu in ihren Hauptpunkten (z. B. der Bergpredigt) wahrscheinlich angelegt war, in ihr Gegenteil verkehrt wird, sobald sie für bestimmte >irdische< Zwecke, etwa zum Aufbau des Machtapparats Kirche, mißbraucht wird: gelehrt wird Gewaltlosigkeit, die Kirche segnet Kanonen; gelehrt wird Genügsamkeit, die Kirche umgibt sich mit dem Pomp der Reichen; gelehrt wird Bescheidenheit, die (katholische) Kirche betrachtet sich als alleinseligmachend; gelehrt wird Demut, die Kirche verbindet sich mit den Herrschenden; gelehrt wird Toleranz, die Opfer der Intoleranz der Kirche sind unzählig; und gelehrt wird die Liebe, während der unerbittliche Haß >gerechter< Kirchenmänner gegenüber allem, was ihnen ungewohnt erscheint, aus jedem Kirchenblättchen spricht.

Es ist daher selbstverständlich, daß wir schon lange die Kirche getrennt von der christlichen Religion betrachteten und diese wiederum getrennt von der — gegenüber anderen Geschichtspersonen noch dazu sehr ungeklärten — Gestalt Jesu. Die Kirche selbst war für uns ein Machtapparat wie jeder andere, den wir jedoch bald als wesentlich gefährlicher erkannten, da er, aufs >Jenseits< ausgerichtet, als Belohnung für Unterwerfung und Gehorsam getrost ein Paradies nach dem Tode versprechen und sich, da er keine dieser Versprechungen hier auf Erden zu erfüllen braucht, wesentlich länger halten kann als eine staatliche, sich offen zum >Diesseits< bekennende Macht.

Darüber hinaus hat die Kirche es schon immer verstanden, sich gleichfalls auch mit den jeweils Herrschenden in Politik und Wirtschaft zu verbinden, ganz gleich, von welcher Beschaffenheit sie waren.
Daß sich die christliche Religion, vertreten durch ihre verschiedenen Kirchen, zwei Jahrtausende gehalten hat, war meiner Ansicht nach nicht auf die Kraft der Lehre selbst zurückzuführen, obwohl dies sogar hätte möglich sein können, sondern auf den geschickten Aufbau dieses stabilen Machtapparates auf der einen Seite und auf einen von fast allen Diktaturen der Welt benutzten psychologischen Trick auf der anderen Seite: die Unterdrückung der Lebensfreude durch Glorifizierung von Askese, Opferbereitschaft oder Leiden, die Verdammung einer so fundamentalen Lebensäußerung wie der Erotik und die dadurch fast
automatisch erreichte Kultivierung des schlechten Gewissens —all dies war dazu geeignet, die Anhänger schließlich in eine vollkommene Abhängigkeit zu treiben. Einmal mit diesen Mitteln gefügig gemacht, war es möglich, die Massen zu gängeln, ihre Gefühle zu kanalisieren und zu pervertieren, sie vom höheren Sinn der Kriege und Leiden zu überzeugen und zu jeder noch so irrationalen Tat zu mißbrauchen —ohne das Gewissen sonderlich zu belasten. Unter dieser Generallinie konnte ich die — zweifellos großen — von den Mitgliedern der Kirchen erbrachten sozialen und karitativen Leistungen nur noch als Alibi ansehen. Daß sie selbstlos geleistet würden, schien mir höchst unwahrscheinlich. Denn alle Kanzelverkündungen evangelistischer Weisheiten sprachen der Wirklichkeit Hohn.

Wo hat die Kirche sich jemals für soziale Gerechtigkeit eingesetzt, das heißt, sich auf die Seite der Unterdrückten gestellt? Einzelne tapfere Priester ja! (Paradoxerweise sind jene, die ihre >Lehre< wörtlich nehmen, als >Revolutionäre< verschrien.) Doch die Organisation als solche exponierte sich, da ihr eigenes Fortbestehen oberstes Gebot sein mußte, nie gegen die Herrschenden: ein Dilemma, aus dem es offenbar keinen Ausweg gibt, solange die Kirche ihre Macht behalten will.

Und doch scheint das Rezept der engen Kopplung religiöser Institutionen mit der Politik der Herrschenden — in vorchristlichen Zeiten waren beide ja untrennbar miteinander verwoben — von den Menschen immer weniger akzeptiert zu werden. Die Verbindung zwischen beiden beschränkte sich in den letzten Jahrzehnten — gebietsweise schwankend — zunehmend auf die gegenseitige Stabilisierung, wobei sich die Politik allmählich zu emanzipieren scheint und das weltliche Stützkorsett um den Kirchenapparat enger und brüchig wird. In wenigen Jahren dürfte die Volkskirche in vielen Ländern aufgehört haben zu existieren, eine Minoritätenkirche wird bleiben, und -wenn diese gewisse
Dogmen nicht aufgibt - auch das nicht mehr lange. Mit dem völlig unrealistischen, aber schon fast fieberhaften Bau immer neuer, moderner — und leerer — Kirchen versucht man offenbar, sich über diese Entwicklung hinwegzutäuschen. Doch Bauten ohne Menschen werden zu Mahnmalen — hoffen wir, daß ihre Aussage richtig verstanden wird.

Zunehmende Erkenntnis und kybernetisch geprägtes Denken fordern Toleranz, nicht Dogmatismus.

Soweit unsere wesentlichsten damaligen, bis heute unveränderten, höchstens noch weiter bestätigten Überlegungen. Ein wenig überraschend für mich war nun, daß im Laufe meiner Arbeit als Naturwissenschaftler, im Laufe des fortschreitenden tieferen Eindringens in die molekularbiologischen Vorgänge unseres Organismus sich noch einmal — nun von ganz anderer Seite her — eine Emanzipation nicht nur von der Kirche, sondern auch von der Religion vollzog. Mit zunehmenden Erkenntnissen, angefangen von neuen Vorstellungen über die Entstehung des Lebens auf der Erde bis zu Einblicken in den Grenzbereich zwischen Materie und Information, begann ich dann nicht nur mich selbst, sondern auch alle anderen Lebewesen und auch die Materie selber mit ihren bisherigen, zum Teil axiomatischen, also nicht ableitbaren Gesetzen in einer stark veränderten Weise aufzufassen.
Dabei ließ mir vor allem ein zunehmend kybernetisches Denken, das heißt ein Denken in vernetzten Regelkreisen, welches ich in der Forschung anwenden mußte, unsere eigene Stellung im Universum in einem recht neuen Licht erscheinen.
Das wird verständlich, wenn man sich klarmacht, daß wir mit den noch sehr winzigen Schritten, mit denen wir momentan in die gewaltige und gleichzeitig unendlich kleine Welt der zellulären Informationsmechanismen eindringen, dabei sind, die ersten Beziehungen zwischen toter Materie und der sie belebenden reinen >Information an sich< zu erkunden. Nach Norbert Wiener, dem großen Mathematiker und Atheisten, ist Information (Nachricht, Programm) durch keine bestehende physikalische Entität, wie Masse, Zeit, Weg, Kraft usw., definierbar. »Information ist Information«, sagte er. Sie ist also weder Energie, noch ist sie Materie, sondern eine dritte Urform des Seins. Doch damit ist sie auch weder raum- noch zeitgebunden. Zur Veranschaulichung dieser Besonderheit: Gebe ich Energie an jemand anderen ab, so habe ich danach diese Energie nicht mehr. Gebe ich Information an jemanden ab, so besitze ich diese Information nachher immer noch. Ebenso ist nach dem tausendsten Abdruck der Informationsgehalt einer Zeitungsmatrize noch genauso hoch wie nach dem ersten Blatt.

Dringt man nun zum Beispiel — unter Beachtung dieses doch sehr frappierenden Informationsbegriffs — mit unseren modernen Beobachtungs- und Meßmethoden ins Innere der Zellen oder auch der unbelebten Materie, dann kann diese Beschäftigung das bisherige Weltbild des naiven Realismus wie auch des transzendentalen Idealismus so sehr verändern, daß man mit den bestehenden Weltanschauungen nicht mehr viel anfangen kann. Die wenigen Mosaiksteinchen, die zum Beispiel die heutige Molekulargenetik gefunden hat, bieten bereits so ungeheure Einblicke in neue Dimensionen, in kybernetische Regelkreise und zwischenzelluläre Informationen an der Grenze der Materie, daß man Interpretationen, die auf irgendeine Transzendenz abzielen, nur sehr vorsichtig und bescheiden anstellen wird.

Die Entdeckung der Bedeutung unserer Gene zum Beispiel — als eines astronomisch gewaltigen Informationsreservoirs auf kleinstem Raum mit noch gar nicht abzusehenden latenten Programmierungsmöglichkeiten — läßt vermuten, daß ein eventueller Plan, der dahinterstehen könnte (falls der Gedanke an einen >Plan< nicht nur das Produkt einer örtlich begrenzten, weil dort >praktischen< Codifizierung unserer Gehirnfunktionen ist), sehr viel gewaltiger sein muß, als man das je ahnte. Die Existenz einer möglichen Gottheit oder übergeordneten Intelligenz zu definieren, erweist sich damit als viel schwieriger, als man sich das früher vorstellte. Jede verfrühte Festlegung eines solchen Begriffs bedeutet das Ende des möglichen Erkenntnisfortschritts. Und da bewirkt natürlich auch der dialektische Materialismus mit sei- nem festen Glauben an die Nichtexistenz einer übergeordneten Transzendenz eine ebenso dogmatische — und damit unwissenschaftliche — Festlegung wie die christlichen Konfessionen, die gerade die Haltung, ungeprüft zu glauben, als die große Kraft anpreisen, während mir gerade dieses bedingungslose Glauben aus Gründen, auf die ich weiter unten noch einmal zurückkomme, das Allerübelste an dieser Religion zu sein scheint.
Man kann hierzu nur immer wieder die Worte von Max Born zitieren, die er 1964 in einem Vortrag auf der Nobelpreisträger-Tagung in Lindau sagte und die mir von ungeheurer Tragweite scheinen: »Ist doch der Glaube an eine einzige Wahrheit — und deren Besitzer zu sein — die tiefste Wurzel allen Übels auf der Welt.«

Und gerade in diesem Sinn schien mir der ethische Wert echter Wissenschaft vor allem in ihrer undogmatischen Haltung gegenüber Wahrheit und Irrtum zu beruhen, in dem Bewußtsein, daß Wahrheit ständig sich ändert, einfach weil jede neue Erkenntnis schon wieder den Keim zu einer Metamorphose ihrer selbst in sich trägt.
Zunehmende Kenntnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge macht so den Kosmos viel größer, dichter und vielschichtiger, so daß ich es nur noch als Anmaßung empfinden kann, wenn man sich über den Ursprung der Welt (falls es einen solchen gibt) oder über die absoluten ihr zugrunde liegenden Gesetze (falls es solche gibt), oder über die das Ganze steuernde Entelechie (falls es eine solche gibt) so detaillierte, definitive Vorstellungen macht, wie es die meisten Religionen tun. Wenn also schon die kleinen Einblicke, die mir mein Beruf gibt, das Weltbild bereits so ausweiten und als dynamisch, das heißt ständig sich verändernd zeigen, wie schief und willkürlich müssen dann diese bisher angebotenen statischen Weltbilder sein!

Ich wurde einmal in einem Fernsehinterview gefragt, worin ich den Sinn des Lebens sähe, und mußte antworten, daß ich erstens nicht wisse, ob es überhaupt einen Sinn gibt, und daß ich ihn, selbst wenn es ihn gäbe, dann natürlich auch nicht durchschauen könne. Aus dem gleichen Grunde könne ich auch nicht sicher an einen Gott glauben oder an eine Entelechie, die alles durchdringt und leitet. Ich halte eine solche >Kraft<, die sich für die uns übersehbaren Zeiträume an ihre eigenen Gesetze zu halten scheint, lediglich für möglich, das heißt für im gleichen Sinne denkbar, wie daß es eine solche intelligente transzendente Kraft nicht gibt. Der unbedingte Glaube an die Nichtexistenz Gottes ist mir, wie gesagt, genauso suspekt wie der unbedingte Glaube an seine Existenz.

Ich wurde auch gefragt, wie ich mir denn ohne eine dahinterstehende absolute Intelligenz den Ursprung des Kosmos, des Lebens, unseres Bewußtseins erkläre? Bereits diese Frage ist schon nicht mehr frei gestellt, sondern durch bestimmte Denkmechanismen gesteuert. Denn es ist durchaus möglich, daß lediglich die statistisch große Zahl unserer Gehirnzellen — wie immer bei statistisch großen Zahlen von Einzelteilchen — eine scheinbare (oder echte) Kausalität im Arbeiten dieser Zellen, also im Denken, auftreten läßt, die weder in der umgebenden Wirklichkeit noch in den einzelnen Zellen selber gegeben ist. Die Frage nach der Ursache — und damit letztlich der Zeitbegriff überhaupt — mag daher rein mechanisch aus den >kolligativen< Wechselwirkungen großer Zellzahlen entstehen, sie mag ausschließlich an diese gebunden sein und für die tatsächlichen Abläufe in der Welt völlig irrelevant sein.

Das Gehen des Weges ist das Ziel

Nun gut, wird man sagen, wenn Gott aber möglich ist, warum sollten wir nicht ruhig an ihn glauben? Doch hier beginnt die Gefahr, liegt der Keim zur Intoleranz, zur Schaffung von Schuldgefühlen, zur plötzlichen Nutzung der Macht, die auf dem Rücken von Schuldgefühlen ausgeübt werden kann. Denn wenn es so etwas gibt wie eine alldurchdringende Kraft, einen Plan, eine eigene Informationswelt, aus der alles — und vor allem das Leben — kommt, dann ist sie wahrscheinlich viel gewaltiger und andersartiger als all das, was uns die Religionen mit ihrem im Grunde vom Menschen aus projizierten Gott bieten. Denn von welchem Menschen gehen wir aus! Von dem, wie wir ihn gerade zu unserer Zeit mit unserer wahrscheinlich noch recht primitiven Psychologie verstanden haben: ein Gott, dem man danken soll, der beleidigt oder geschmeichelt sein kann, der einem helfen soll, den man bedrängt usw. Doch einmal festgelegt, wird ein solches Kunstgebilde zum Fetisch, zum Tabu mit allen bekannten Folgen.

Machen wir uns noch einmal klar, daß von dem in unseren Genen steckenden Reservoir an Programmierungsmöglichkeiten, von dieser uns noch weitgehend verschlossenen Geheimbibliothek erst ein paar Seiten aufgeschlagen sein mögen. Wenn darin also schon Veränderungen und Möglichkeiten stecken, die für uns unvorstellbar sind, um wieviel mehr wäre dann eine eventuelle allumfassende Intelligenz anders, als wir sie uns heute vorstellen können. Da die Erkenntnis über uns und unsere Umwelt sich von Tag zu Tag ändert, ist natürlich jeder Glaube, jede Religion um eine Stagnation gerade jener Erkenntnis bemüht. Und die einmal festgelegte Momentaufnahme des seinerzeitigen Erkenntnisstandes muß dann, um weiterhin als >absolute Wahrheit< gelten zu können, mit unlauteren, immer stärker die Wirklichkeit verletzenden Mitteln, kurz, mit Lüge verteidigt werden.

Ein durch die naturwissenschaftliche Betätigung geschultes Bewußtsein kann dagegen die >absolute Wahrheit< immer nur als Weg verstehen und niemals als erreichbares Ziel. Das Suchen an sich, das nie endgültig findet, also das Gehen des Weges selbst ist damit zum Ziel geworden.

Ein Suchen, welches für mich das Leben erst lebens- und liebenswert macht.

Soweit Herr Prof. Frederic Vester!

Für Menschen mit ähnlichem Empfinden für die Selbstverantwortung der Gläubigkeit, also befreit von menschenfeindlichen Dogmatismen, und suchende Agnostiker im edelsten Sinne des Wortes, brauche ich vermutlich keinerlei weiteren Erklärungen und/oder Auslegungen des Inhalts hinzuzufügen.

Bedenkenswert ist aber schon, dass sich heute die Diözesen ihre bischöflichen Köpfe zerbrechen, was sie mit den schwachbesuchten Kirchen machen und wo und wie sie ihren Priesternachwuchs und Nachfolger derzeitiger Pfarrer fördern können, um dem akuten Priestermangel entgegenzuwirken. Die bereits weit zurück im vorigen Jahrhundert oder noch früher erkennbaren und aufgezeigten Fehlentwicklungen haben letzten Endes kaum Korrekturen bewirkt.
Die Ökumene krankt unheilbar vor sich hin und Grabenkämpfe werden hinter harmlos scheinenden Sätzen verkleidet wie beispielsweise im kürzlichen päpstlichen Satz (sinngemäß) über die ökumenische Einheit der Kirchen: "Die Einheit der Kirchen wäre ein Geschenk Gottes!"
Tja, und so warten halt die Römer mit ihrem vorgeblich unfehlbaren Pontifex auf dieses göttliche Geschenk für die römische Kirche.
Inaktives Warten ...

 
Menetekel

 
Daniel 5 22-28


Nachwort über die am Anfang erwähnten "Inseln der Hoffnung"
, nämlich
"Inseln" der zwangslosen und dogmenbefreiten Glaubensanschauungen,
aber auch
"Inseln" des charismatischen Kirchengeschehens, wie der Evangelisch Bischof Dr. Michael Bünker niederschrieb:

Lutherischer Bischof Dr. Michael Bünker, Wien
In seinem Buch "Mit weitem Herzen", Kapitel "Diagnosen-Hoffnungen -Therapien" Seite 278; ursprünglich schon veröffentlicht im Jahr 2003:
„Das 21. Jahrhundert braucht die charismatische und diakonische Kirche. Charismatisch ist die Kirche, wenn sie nicht mehr hierarchisch organisiert ist, sondern so, dass Achtung vor den Charismen jedem und jeder das unstrittige Expertentum für den eigenen Glauben und das eigene Leben einräumt......”.


In vielen röm. kath. Pfarren ist auch ein Aufbruch zu neuen Ufern merkbar, quasi Privatinitiativen innerhalb
der durch die Vorgaben aus Rom verkrusteten Strukturen. Bereits das Überlegen neuer Wege wird von in der Pyramide der Hierarchie verankerten Meinungsbildnern als "Ungehorsam" abgeurteilt. Als besonders tragisch empfinde ich dabei, dass der von der menschengeschaffenen "ökonomische" Hierarchie geforderte Gehorsam für wichtiger gehalten wird als ein ziemlich sicher doch wesentlicherer und übergeordneter Gehorsam gegenüber der Trinität.
Also ein empfundener "Gewissen-hafter" Gehorsam gegenüber Gott, Jesus und dem Heiligen Geist.

Für Leser, die nicht alle meine Abhandlungen kennen,
möchte ich schon darauf hinweisen, dass ich mit "Trinität" nicht jenes angeblich göttliche, nur von "Gruppen" und deren Spezialisten erkennbare oder interpretierbare Etwas meine, das seit Jahrtausenden von den Religionen vereinnahmt wird, um die eigenen Ziele auch über Millionen von Leichen zu erreichen.

DENN:
Wie sagte unwidersprechbar der evangelische Theologe Rudolf Bultmann?
Gott ist ganz anders!”

Das gilt freilich auch für mein und Ihr Gottesbild. Soll/muss mich, oder Sie, das irgendwie verunsichern?
Dank meines gottgeschenkten Intellekts und meiner gottgeschenkten Emotionsfähigkeit sage ich: "Nein, ich habe keine Angst!"

"Transzendenz" ist nicht, wie die Dinge sind, sondern was sie mir/uns bedeuten! (H.-M. Barth, sinngemäß)

Rudolf Fiala
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