Wegen
der mir wichtig erscheinenen Thesen in Prof. Frederic Vesters
Abhandlung,
hier auf meiner Website zur
Bekanntheits-Auffrischung dieses schon relativ alten, aber
hochaktuellen Artikels!
Prof. Dr. Frederic
Vester: Buch "Leitmotiv vernetztes Denken" 1980: Der
Schlussartikel
daraus:
Der
Gott, der in Allem ist / Warum wurde Naturgott Pan verteufelt?
Frederic
Vester in Wikipedia
© Internetseite Rudolf
Fiala, 22.2.12 /Aschermittwoch und 23.2.
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© Frederic Vester;
veröffentlichte seine Abhandlung 1970 und 1988
Durch
einen Zufall geriet mir das Buch von Frederic Vester in die Hände.
Das
letzte Kapitel im Inhaltsverzeichnis mit dem obigen Titel erweckte
naturgemäß sofort mein Interesse und den Entschluss, dieses meinen
Lesern auch lesbar zu machen.
Nicht nur wegen des Inhaltes an
sich, sondern auch weil teilweise - also nicht in Allem -
Übereinstimmungen mit meinen eigenen Gedanken gegeben ist. Einige
meiner
Bedenken und Zweifel bezüglich meiner vielleicht zu kirchenkritischen
Betrachtungsweise diverser Geschehnisse erscheinen damit
entschärft. 24 Jahre nach Veröffentlichung gibt es auch "Inseln der
Hoffnung", siehe Nachwort.
Leider ist Herr Prof.
Vester schon verstorben, eine Dankbotschaft an ihn muss
somit entfallen.
DER GOTT, DER IN ALLEM IST
WARUM WURDE NATURGOTT PAN
VERTEUFELT?
Wenn
wir Erfolg darin haben wollen, das Leben auf unserem Planeten zu
erhalten und bereits aufgetretene Schädigungen zu heilen, müssen wir
auf jeden Fall das >vernetzte Denken< praktizieren und
danach
handeln. Aber noch steckt die Einführung einer >vernetzten
Sichtweise< in vielen Gesellschaftsbereichen in den
Kinderschuhen.
Noch ist der Egoismus vieler Macher so tief verankert, daß sie nicht
erkennen, daß das einfache, lineare Denken >machen um zu
haben<
selbstschädigend ist.
Das
industrielle Zeitalter,
das im
wesentlichen von den westlichen Zivilisationen eingeleitet und bis
heute vorangetrieben wurde und das diese zerstörerische Wirkung auf
unsere Erde entfaltete, ist auf jeden Fall untrennbar verbunden mit der
Religion, die seit Jahrhunderten zur Expansion, zum
>Machen<
aufforderte: »Macht euch die Erde untertan!«
Auch
wenn heute (1970/1988!) die
westlichen Kirchen, selbst die katholische, zur Mäßigung und
>Bewahrung der Schöpfung< auffordern, so hat besonders
die
letztere über viele Jahrhunderte hinweg nicht nur geschwiegen, wenn
diese Schöpfung rücksichtslos genutzt wurde; ein Franz von Assisi hat
hier höchstens eine Alibifunktion. Viel intensiver hat diese Kirche
auch die Forschung (beispielsweise Galilei) oder auch das Lernen
beeinflußt — also auch die Emanzipation des Menschen. Da aber die
Kirchen noch immer mächtige Institutionen in unserer Gesellschaft sind
und ihr Gedankengut noch immer großen Einfluß auf die Menschen hat,
möchte ich mich mit ihnen von meinem Wissen um die Vernetzung zwischen
Körper, Seele und Geist, zwischen Mensch und Erde und allen Schöpfungen
im Universum Gottes auseinandersetzen — denn wollen wir Natur als
>die Schöpfung Gottes< bewahren, müssen viele überkommene
religiöse Ansichten revidiert, modifiziert oder verworfen werden.
Als
Kirchenmitglied habe ich das bereits vor vielen Jahren getan, und die
Konsequenz war, daß ich damals aus dieser Institution ausgetreten bin.
Wenn ich nun meine Überlegungen zu meinem damaligen Kirchenaustritt
schildere, dann deswegen, weil ich einen Anstoß dazu geben möchte, daß
Positionen überprüft — und vielleicht neu gesetzt werden.
Vor
vielen
Jahren bereits kam mir die Einsicht, daß von einer Glaubensinstitution
wie der Kirche — mit einem Monopol als höchste moralische Instanz und
dem Anspruch, allein die Wahrheit zu besitzen — eigentlich gar nichts
anderes zu erwarten war als das, was ich in ihr an üblen Einflüssen
entdeckt und was mich letzten Endes so sehr an ihr
>enttäuscht<
und zu meinem Entschluß des Kirchenaustritts geführt hatte. Für die
Enttäuschung kann ich nicht die Kirche, sondern muß ich mich
verantwortlich machen, der ich mir offenbar unreale, falsche
Vorstellungen von den Möglichkeiten und Absichten einer solchen
Einrichtung gebildet hatte.
Den Entschluß faßten meine Frau
und ich
übrigens gemeinsam, wobei der Gedanke an unsere Kinder, denen wir die
verkrampfenden Wirkungen des kirchlichen Einflusses ersparen wollten,
den Ausschlag gab. Vielleicht war sogar das Entsetzen, welches wir
seinerzeit beim Lesen der Religions-Schulbücher empfanden, der
auslösende Faktor gewesen. Einmal darauf aufmerksam geworden,
entdeckten wir in fast allen Schulbüchern daß — manchmal offen,
manchmal versteckt — das Leiden immer höher eingeschätzt wurde als die
Freude. Martyrium, gleich welchen Anlasses, wurde als bewundernswert
gepriesen. Wie weit der Einfluß dieser christlichen Moral das
Schulwesen überhaupt geprägt hat, sehen wir daran, daß das Lernen
selber nur dann für eine würdige Beschäftigung gehalten wird, wenn es
mit Leiden verbunden ist, und daß ein Unterricht unangemessen
erscheint, wenn er dem Schüler leichtgemacht wird oder gar Spaß
bereitet, obgleich die Effizienz dadurch sehr erhöht würde.
Eine
weitere christliche Grundhaltung, nämlich zu glauben statt zu prüfen,
spiegelt sich wiederum in der in unseren Schulen herrschenden Tendenz,
das kritiklose Hinnehmen des Lehrstoffs zur Tugend zu erheben und damit
eigene Suchimpulse weitgehend auszuschalten.
Alle
Gründe, die zu
unserem Entschluß führten, kulminierten schließlich in der wachsenden
Einsicht, daß von der katholischen wie auch von der evangelischen
Kirche, der wir bis dahin angehörten, in den vergangenen Jahrhunderten
mit die übelsten Einflüsse auf die Menschen und ihre Beziehungen
untereinander ausgegangen sind. In gewissem Grade gilt das
wahrscheinlich auch für einige andere große Religionen. Vielleicht
spricht daraus sogar ein Gesetz, nämlich, daß eine in sich gute und
selbstlose Lehre, als welche auch die Lehre Jesu in ihren Hauptpunkten
(z. B. der Bergpredigt) wahrscheinlich angelegt war, in ihr Gegenteil
verkehrt wird, sobald sie für bestimmte >irdische<
Zwecke, etwa
zum Aufbau des Machtapparats Kirche, mißbraucht wird: gelehrt wird
Gewaltlosigkeit, die Kirche segnet Kanonen; gelehrt wird Genügsamkeit,
die Kirche umgibt sich mit dem Pomp der Reichen; gelehrt wird
Bescheidenheit, die (katholische) Kirche betrachtet sich als
alleinseligmachend; gelehrt wird Demut, die Kirche verbindet sich mit
den Herrschenden; gelehrt wird Toleranz, die Opfer der Intoleranz der
Kirche sind unzählig; und gelehrt wird die Liebe, während der
unerbittliche Haß >gerechter< Kirchenmänner gegenüber
allem, was
ihnen ungewohnt erscheint, aus jedem Kirchenblättchen spricht.
Es
ist daher selbstverständlich, daß wir schon lange die Kirche getrennt
von der christlichen Religion betrachteten und diese wiederum getrennt
von der — gegenüber anderen Geschichtspersonen noch dazu sehr
ungeklärten — Gestalt Jesu. Die Kirche selbst war für uns ein
Machtapparat wie jeder andere, den wir jedoch bald als wesentlich
gefährlicher erkannten, da er, aufs >Jenseits<
ausgerichtet, als
Belohnung für Unterwerfung und Gehorsam getrost ein Paradies nach dem
Tode versprechen und sich, da er keine dieser Versprechungen hier auf
Erden zu erfüllen braucht, wesentlich länger halten kann als eine
staatliche, sich offen zum >Diesseits< bekennende Macht.
Darüber
hinaus hat die Kirche es schon immer verstanden, sich gleichfalls auch
mit den jeweils Herrschenden in Politik und Wirtschaft zu verbinden,
ganz gleich, von welcher Beschaffenheit sie waren.
Daß sich
die
christliche Religion, vertreten durch ihre verschiedenen Kirchen, zwei
Jahrtausende gehalten hat, war meiner Ansicht nach nicht auf die Kraft
der Lehre selbst zurückzuführen, obwohl dies sogar hätte möglich sein
können, sondern auf den geschickten Aufbau dieses stabilen
Machtapparates auf der einen Seite und auf einen von fast allen
Diktaturen der Welt benutzten psychologischen Trick auf der anderen
Seite: die Unterdrückung der Lebensfreude durch Glorifizierung von
Askese, Opferbereitschaft oder Leiden, die Verdammung einer so
fundamentalen Lebensäußerung wie der Erotik und die dadurch fast
automatisch
erreichte Kultivierung des schlechten Gewissens —all dies war dazu
geeignet, die Anhänger schließlich in eine vollkommene Abhängigkeit zu
treiben. Einmal mit diesen Mitteln gefügig gemacht, war es möglich, die
Massen zu gängeln, ihre Gefühle zu kanalisieren und zu pervertieren,
sie vom höheren Sinn der Kriege und Leiden zu überzeugen und zu jeder
noch so irrationalen Tat zu mißbrauchen —ohne das Gewissen sonderlich
zu belasten. Unter dieser Generallinie konnte ich die — zweifellos
großen — von den Mitgliedern der Kirchen erbrachten sozialen und
karitativen Leistungen nur noch als Alibi ansehen. Daß sie selbstlos
geleistet würden, schien mir höchst unwahrscheinlich. Denn alle
Kanzelverkündungen evangelistischer Weisheiten sprachen der
Wirklichkeit Hohn.
Wo hat die Kirche sich jemals für
soziale
Gerechtigkeit eingesetzt, das heißt, sich auf die Seite der
Unterdrückten gestellt? Einzelne tapfere Priester ja! (Paradoxerweise
sind jene, die ihre >Lehre< wörtlich nehmen, als
>Revolutionäre< verschrien.) Doch die Organisation als
solche
exponierte sich, da ihr eigenes Fortbestehen oberstes Gebot sein mußte,
nie gegen die Herrschenden: ein Dilemma, aus dem es offenbar keinen
Ausweg gibt, solange die Kirche ihre Macht behalten will.
Und
doch scheint das Rezept der engen Kopplung religiöser Institutionen mit
der Politik der Herrschenden — in vorchristlichen Zeiten waren beide ja
untrennbar miteinander verwoben — von den Menschen immer weniger
akzeptiert zu werden. Die Verbindung zwischen beiden beschränkte sich
in den letzten Jahrzehnten — gebietsweise schwankend — zunehmend auf
die gegenseitige Stabilisierung, wobei sich die Politik allmählich zu
emanzipieren scheint und das weltliche Stützkorsett um den
Kirchenapparat enger und brüchig wird. In wenigen Jahren dürfte die
Volkskirche in vielen Ländern aufgehört haben zu existieren, eine
Minoritätenkirche wird bleiben, und -wenn diese gewisse
Dogmen
nicht
aufgibt - auch das nicht mehr lange. Mit dem völlig unrealistischen,
aber schon fast fieberhaften Bau immer neuer, moderner — und leerer —
Kirchen versucht man offenbar, sich über diese Entwicklung
hinwegzutäuschen. Doch Bauten ohne Menschen werden zu Mahnmalen —
hoffen wir, daß ihre Aussage richtig verstanden wird.
Zunehmende
Erkenntnis und kybernetisch geprägtes Denken fordern Toleranz, nicht
Dogmatismus.
Soweit
unsere wesentlichsten damaligen, bis heute unveränderten, höchstens
noch weiter bestätigten Überlegungen. Ein wenig überraschend für mich
war nun, daß im Laufe meiner Arbeit als Naturwissenschaftler, im Laufe
des fortschreitenden tieferen Eindringens in die molekularbiologischen
Vorgänge unseres Organismus sich noch einmal — nun von ganz anderer
Seite her — eine Emanzipation nicht nur von der Kirche, sondern auch
von der Religion vollzog. Mit zunehmenden Erkenntnissen, angefangen von
neuen Vorstellungen über die Entstehung des Lebens auf der Erde bis zu
Einblicken in den Grenzbereich zwischen Materie und Information, begann
ich dann nicht nur mich selbst, sondern auch alle anderen Lebewesen und
auch die Materie selber mit ihren bisherigen, zum Teil axiomatischen,
also nicht ableitbaren Gesetzen in einer stark veränderten Weise
aufzufassen.
Dabei ließ mir vor allem ein zunehmend
kybernetisches
Denken, das heißt ein Denken in vernetzten Regelkreisen, welches ich in
der Forschung anwenden mußte, unsere eigene Stellung im Universum in
einem recht neuen Licht erscheinen.
Das wird verständlich,
wenn man
sich klarmacht, daß wir mit den noch sehr winzigen Schritten, mit denen
wir momentan in die gewaltige und gleichzeitig unendlich kleine Welt
der zellulären Informationsmechanismen eindringen, dabei sind, die
ersten Beziehungen zwischen toter Materie und der sie belebenden reinen
>Information an sich< zu erkunden. Nach Norbert Wiener,
dem
großen Mathematiker und Atheisten, ist Information (Nachricht,
Programm) durch keine bestehende physikalische Entität, wie Masse,
Zeit, Weg, Kraft usw., definierbar. »Information ist Information«,
sagte er. Sie ist also weder Energie, noch ist sie Materie, sondern
eine dritte Urform des Seins. Doch damit ist sie auch weder raum- noch
zeitgebunden. Zur Veranschaulichung dieser Besonderheit: Gebe ich
Energie an jemand anderen ab, so habe ich danach diese Energie nicht
mehr. Gebe ich Information an jemanden ab, so besitze ich diese
Information nachher immer noch. Ebenso ist nach dem tausendsten Abdruck
der Informationsgehalt einer Zeitungsmatrize noch genauso hoch wie nach
dem ersten Blatt.
Dringt man nun zum Beispiel —
unter Beachtung
dieses doch sehr frappierenden Informationsbegriffs — mit unseren
modernen Beobachtungs- und Meßmethoden ins Innere der Zellen oder auch
der unbelebten Materie, dann kann diese Beschäftigung das bisherige
Weltbild des naiven Realismus wie auch des transzendentalen Idealismus
so sehr verändern, daß man mit den bestehenden Weltanschauungen nicht
mehr viel anfangen kann. Die wenigen Mosaiksteinchen, die zum Beispiel
die heutige Molekulargenetik gefunden hat, bieten bereits so ungeheure
Einblicke in neue Dimensionen, in kybernetische Regelkreise und
zwischenzelluläre Informationen an der Grenze der Materie, daß man
Interpretationen, die auf irgendeine Transzendenz abzielen, nur sehr
vorsichtig und bescheiden anstellen wird.
Die
Entdeckung der
Bedeutung unserer Gene zum Beispiel — als eines astronomisch gewaltigen
Informationsreservoirs auf kleinstem Raum mit noch gar nicht
abzusehenden latenten Programmierungsmöglichkeiten — läßt vermuten, daß
ein eventueller Plan, der dahinterstehen könnte (falls der Gedanke an
einen >Plan< nicht nur das Produkt einer örtlich
begrenzten, weil
dort >praktischen< Codifizierung unserer Gehirnfunktionen
ist),
sehr viel gewaltiger sein muß, als man das je ahnte. Die Existenz einer
möglichen Gottheit oder übergeordneten Intelligenz zu definieren,
erweist sich damit als viel schwieriger, als man sich das früher
vorstellte. Jede verfrühte Festlegung eines solchen Begriffs bedeutet
das Ende des möglichen Erkenntnisfortschritts. Und da bewirkt natürlich
auch der dialektische Materialismus mit sei- nem festen Glauben an die
Nichtexistenz einer übergeordneten Transzendenz eine ebenso dogmatische
— und damit unwissenschaftliche — Festlegung wie die christlichen
Konfessionen, die gerade die Haltung, ungeprüft zu glauben, als die
große Kraft anpreisen, während mir gerade dieses bedingungslose Glauben
aus Gründen, auf die ich weiter unten noch einmal zurückkomme, das
Allerübelste an dieser Religion zu sein scheint.
Man kann
hierzu nur
immer wieder die Worte von Max Born zitieren, die er 1964 in einem
Vortrag auf der Nobelpreisträger-Tagung in Lindau sagte und die mir von
ungeheurer Tragweite scheinen: »Ist doch der Glaube an eine einzige
Wahrheit — und deren Besitzer zu sein — die tiefste Wurzel allen Übels
auf der Welt.«
Und gerade in diesem Sinn schien
mir der ethische
Wert echter Wissenschaft vor allem in ihrer undogmatischen Haltung
gegenüber Wahrheit und Irrtum zu beruhen, in dem Bewußtsein, daß
Wahrheit ständig sich ändert, einfach weil jede neue Erkenntnis schon
wieder den Keim zu einer Metamorphose ihrer selbst in sich trägt.
Zunehmende
Kenntnis naturwissenschaftlicher Zusammenhänge macht so den Kosmos viel
größer, dichter und vielschichtiger, so daß ich es nur noch als
Anmaßung empfinden kann, wenn man sich über den Ursprung der Welt
(falls es einen solchen gibt) oder über die absoluten ihr zugrunde
liegenden Gesetze (falls es solche gibt), oder über die das Ganze
steuernde Entelechie (falls es eine solche gibt) so detaillierte,
definitive Vorstellungen macht, wie es die meisten Religionen tun. Wenn
also schon die kleinen Einblicke, die mir mein Beruf gibt, das Weltbild
bereits so ausweiten und als dynamisch, das heißt ständig sich
verändernd zeigen, wie schief und willkürlich müssen dann diese bisher
angebotenen statischen Weltbilder sein!
Ich
wurde einmal in
einem Fernsehinterview gefragt, worin ich den Sinn des Lebens sähe, und
mußte antworten, daß ich erstens nicht wisse, ob es überhaupt einen
Sinn gibt, und daß ich ihn, selbst wenn es ihn gäbe, dann natürlich
auch nicht durchschauen könne. Aus dem gleichen Grunde könne ich auch
nicht sicher an einen Gott glauben oder an eine Entelechie, die alles
durchdringt und leitet. Ich halte eine solche >Kraft<,
die sich
für die uns übersehbaren Zeiträume an ihre eigenen Gesetze zu halten
scheint, lediglich für möglich, das heißt für im gleichen Sinne
denkbar, wie daß es eine solche intelligente transzendente Kraft nicht
gibt. Der unbedingte Glaube an die Nichtexistenz Gottes ist mir, wie
gesagt, genauso suspekt wie der unbedingte Glaube an seine Existenz.
Ich
wurde auch gefragt, wie ich mir denn ohne eine dahinterstehende
absolute Intelligenz den Ursprung des Kosmos, des Lebens, unseres
Bewußtseins erkläre? Bereits diese Frage ist schon nicht mehr frei
gestellt, sondern durch bestimmte Denkmechanismen gesteuert. Denn es
ist durchaus möglich, daß lediglich die statistisch große Zahl unserer
Gehirnzellen — wie immer bei statistisch großen Zahlen von
Einzelteilchen — eine scheinbare (oder echte) Kausalität im Arbeiten
dieser Zellen, also im Denken, auftreten läßt, die weder in der
umgebenden Wirklichkeit noch in den einzelnen Zellen selber gegeben
ist. Die Frage nach der Ursache — und damit letztlich der Zeitbegriff
überhaupt — mag daher rein mechanisch aus den
>kolligativen<
Wechselwirkungen großer Zellzahlen entstehen, sie mag ausschließlich an
diese gebunden sein und für die tatsächlichen Abläufe in der Welt
völlig irrelevant sein.
Das Gehen des Weges ist das Ziel
Nun
gut, wird man sagen, wenn Gott aber möglich ist, warum sollten wir
nicht ruhig an ihn glauben? Doch hier beginnt die Gefahr, liegt der
Keim zur Intoleranz, zur Schaffung von Schuldgefühlen, zur plötzlichen
Nutzung der Macht, die auf dem Rücken von Schuldgefühlen ausgeübt
werden kann. Denn wenn es so etwas gibt wie eine alldurchdringende
Kraft, einen Plan, eine eigene Informationswelt, aus der alles — und
vor allem das Leben — kommt, dann ist sie wahrscheinlich viel
gewaltiger und andersartiger als all das, was uns die Religionen mit
ihrem im Grunde vom Menschen aus projizierten Gott bieten. Denn von
welchem Menschen gehen wir aus! Von dem, wie wir ihn gerade zu unserer
Zeit mit unserer wahrscheinlich noch recht primitiven Psychologie
verstanden haben: ein Gott, dem man danken soll, der beleidigt oder
geschmeichelt sein kann, der einem helfen soll, den man bedrängt usw.
Doch einmal festgelegt, wird ein solches Kunstgebilde zum Fetisch, zum
Tabu mit allen bekannten Folgen.
Machen wir uns noch
einmal
klar, daß von dem in unseren Genen steckenden Reservoir an
Programmierungsmöglichkeiten, von dieser uns noch weitgehend
verschlossenen Geheimbibliothek erst ein paar Seiten aufgeschlagen sein
mögen. Wenn darin also schon Veränderungen und Möglichkeiten stecken,
die für uns unvorstellbar sind, um wieviel mehr wäre dann eine
eventuelle allumfassende Intelligenz anders, als wir sie uns heute
vorstellen können. Da die Erkenntnis über uns und unsere Umwelt sich
von Tag zu Tag ändert, ist natürlich jeder Glaube, jede Religion um
eine Stagnation gerade jener Erkenntnis bemüht. Und die einmal
festgelegte Momentaufnahme des seinerzeitigen Erkenntnisstandes muß
dann, um weiterhin als >absolute Wahrheit< gelten zu
können, mit
unlauteren, immer stärker die Wirklichkeit verletzenden Mitteln, kurz,
mit Lüge verteidigt werden.
Ein durch die
naturwissenschaftliche
Betätigung geschultes Bewußtsein kann dagegen die >absolute
Wahrheit< immer nur als Weg verstehen und niemals als
erreichbares
Ziel. Das Suchen an sich, das nie endgültig findet, also das Gehen des
Weges selbst ist damit zum Ziel geworden.
Ein Suchen, welches für mich das
Leben erst lebens- und liebenswert macht.
Soweit
Herr Prof. Frederic Vester!
Für
Menschen mit ähnlichem Empfinden für die Selbstverantwortung der
Gläubigkeit, also befreit von menschenfeindlichen Dogmatismen, und
suchende Agnostiker im edelsten Sinne des Wortes, brauche ich
vermutlich keinerlei weiteren Erklärungen und/oder Auslegungen
des Inhalts hinzuzufügen.
Bedenkenswert
ist aber schon, dass sich heute die Diözesen ihre bischöflichen Köpfe
zerbrechen, was sie mit den schwachbesuchten Kirchen machen und wo und
wie
sie ihren Priesternachwuchs und Nachfolger derzeitiger Pfarrer fördern
können, um dem akuten Priestermangel entgegenzuwirken. Die bereits weit
zurück im vorigen Jahrhundert oder noch früher erkennbaren und
aufgezeigten Fehlentwicklungen haben letzten Endes kaum Korrekturen
bewirkt.
Die Ökumene krankt unheilbar vor sich hin und
Grabenkämpfe
werden hinter harmlos scheinenden Sätzen verkleidet wie beispielsweise
im kürzlichen päpstlichen Satz (sinngemäß) über die ökumenische Einheit
der Kirchen: "Die Einheit der Kirchen wäre ein Geschenk Gottes!"
Tja,
und so warten halt die Römer mit ihrem vorgeblich unfehlbaren Pontifex
auf dieses göttliche Geschenk für die römische Kirche.
Inaktives
Warten ...

Nachwort
über die am Anfang erwähnten "Inseln der Hoffnung", nämlich
"Inseln"
der zwangslosen und dogmenbefreiten Glaubensanschauungen, aber
auch
"Inseln"
des charismatischen Kirchengeschehens, wie der Evangelisch
Bischof Dr. Michael Bünker niederschrieb:
Lutherischer
Bischof Dr.
Michael Bünker, Wien
In seinem Buch "Mit weitem Herzen", Kapitel
"Diagnosen-Hoffnungen
-Therapien" Seite 278; ursprünglich schon
veröffentlicht im Jahr 2003:
„Das
21. Jahrhundert braucht die
charismatische und
diakonische Kirche. Charismatisch ist die Kirche, wenn sie nicht
mehr hierarchisch organisiert ist, sondern so, dass
Achtung vor den Charismen jedem und jeder das
unstrittige Expertentum für den eigenen Glauben und das eigene
Leben einräumt......”.
In vielen röm. kath. Pfarren
ist auch ein Aufbruch zu neuen Ufern merkbar, quasi Privatinitiativen
innerhalb der durch die Vorgaben aus Rom
verkrusteten Strukturen. Bereits
das Überlegen neuer Wege wird von in der Pyramide der Hierarchie
verankerten Meinungsbildnern als "Ungehorsam" abgeurteilt. Als
besonders tragisch empfinde ich dabei, dass der von der
menschengeschaffenen "ökonomische" Hierarchie
geforderte Gehorsam für wichtiger gehalten
wird als ein ziemlich sicher doch wesentlicherer und übergeordneter Gehorsam gegenüber
der Trinität.
Also ein empfundener
"Gewissen-hafter" Gehorsam gegenüber Gott, Jesus und dem Heiligen Geist.
Für
Leser, die nicht alle meine Abhandlungen kennen, möchte ich schon darauf hinweisen, dass ich mit "Trinität" nicht jenes
angeblich göttliche,
nur von "Gruppen" und deren Spezialisten erkennbare oder
interpretierbare
Etwas meine, das seit Jahrtausenden von den Religionen vereinnahmt
wird, um die eigenen Ziele auch über Millionen von Leichen zu erreichen.
DENN:
Wie sagte
unwidersprechbar der
evangelische Theologe Rudolf Bultmann? „Gott ist ganz anders!”
Das
gilt freilich auch für mein und Ihr Gottesbild. Soll/muss mich, oder
Sie, das irgendwie
verunsichern?
Dank meines gottgeschenkten Intellekts und
meiner gottgeschenkten Emotionsfähigkeit sage ich: "Nein, ich habe keine Angst!"
"Transzendenz" ist
nicht, wie die Dinge sind, sondern was sie mir/uns bedeuten! (H.-M.
Barth, sinngemäß)
Rudolf
Fiala