Zu
Beginn eine sprachliche Klarstellung, gilt auch in den biblischen
Originalsprachen:
»Warum« ist das Fragewort nach
einer aus der Vergangenheit kommenden Begründung.
»
Wozu« ist das Fragewort nach dem beabsichtigtem Zweck, also
zukunftsgerichtet!
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Der
Evangelist Markus überliefert die Worte Jesu nicht nur in
griechischer,
sondern auch in aramäischer Sprache, der Muttersprache Jesu:
"Und zur neunten Stunde rief
Jesus mit
lauter Stimme: »Eloi, Eloi, lama sabachtani?«,
das heißt übersetzt:
»Mein Gott, mein Gott, wozu
hast Du mich verlassen?«".
Nun,
die Frage »warum?« macht ja auch nicht richtig Sinn, sie hätte
einen ziemlich rhetorischen Charakter, wie die meisten »warum«-Fragen
auch, von denen wir doch soviele immer wieder hören und die oft doch
nur ein schlecht versteckter Vorwurf sind:
"»Warum« hast du
deine Hausaufgabe nicht gemacht?", "»Warum«
fährst du schon wieder 150km/h?", "»Warum«
ist kein Bier im Eiskasten?",
etc. Zumindest in der letzten Frage ergibt sich mit »Wozu« ein
zukunftsgerichtete Antwortmöglichkeit wie "Damit Deine Gesundheit
geschont wird!", während mit »warum« die Antwort wohl "Ich
habe vergessen, es zu kaufen" sein könnte.
Zu
Jesu letzten
Worten sind eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu finden.
Damit
ist der theologische Teil wohl ausreichend dokumentiert und kann durch
eigene Linksuchen noch vertieft werden.
Bemerkenswert ist,
dass "Eloi, eloi ....." in Johannes
19, 17-35 nicht
berichtet wird!
Mir
geht es in dieser Abhandlung aber um etwas ganz Anderes. Letztendlich
um die Glaubhaftigkeit.
Nehmen
wir als wahr an, dass der ewige(!) dreieinige Gott seinen ewigen(!)
Teil "Sohn" der jüdischen/römischen Plebs und Justiz überantwortet hat
oder zumindest das Leidensgeschehen zum künftigen Heile zugelassen hat;
Nehmen
wir folgerichtig weiter an, dass ER im Sinne der unteilbaren, ewigen
Trinität auch dieser ans Kreuz zu schlagende "Sohn" war:
Der
Schrei
des gequälten und jetzt (von der Trinität!) verlassenen Menschen Jesu,
der in seiner Todesminute noch erfahren möchte, »wozu« das Alles gut
sein soll, bekommt einen ganz anderen Sinn, als wenn der Schrei »warum«
gelautet hätte.
»WARUM«, das wusste er ohnedies
schon lange, auch als der traditionskundige nur-Mensch Jesus. Aber das letztendliche »WOZU« war
dem verlassenen Menschen Jesus vermutlich genau so unklar, wie es uns
Menschen fast 2000 Jahre später auch noch unklar ist.
Eine
einfache Teilantwort
zum »wozu verlassen« ist wohl klar: Wenn der dreieinige Gott sich in
Jesu verbleibend zum (vorgetäuschten?) Kreuzestod zwingen hätte lassen,
und das noch im Wissen um Seine Unsterblichkeit, wäre das der billigste
Zaubertrick aller Zeiten gewesen. Um nicht in diesen Geruch zu kommen,
MUSSTE Er den geopferten Menschen Jesus zeitgerecht und dokumentiert
verlassen!
Johannes 10 trägt hier noch zusätzlich zum Zaubertrick-Geruch bei:
[..]
17
Darum liebt mich mein Vater, daß ich mein Leben lasse, auf daß ich's wiedernehme.
18
Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Ich
habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wiederzunehmen. Solch Gebot
habe ich empfangen von meinem Vater.
(Johannes 5.26)
[...]
Ja,
wenn er ohnedies die Macht hat, sich "das Leben wiederzunehmen",
da war die Kreuzigung eine bewusst durchgeführte Show-Aktion mit dem
Wissen um das "Wiedernehmen", genannt "Auferstehung"!
Und
die Opferung des zuletzt "entgöttlichten/enttrintalisierten" Mensch
Jesus ein durch und durch unethischer und verwerflicher Vorgang.
Derartiges hätte sich ein "Gott" einfallen lassen? Heutzutage undenkbar.
Seltsam, nicht wahr? Selbstverständlich
auch nicht
als »richtig« beweisbar; aber auch nicht als »falsch«; wie bei
Glaubensdingen eben üblich.
Nachtrag Nov.2014: Aus der aktuellen Judas-Evangelium-Forschung:
Jesus gerät nicht in die Mühlen ihrer Justiz: «Derjenige, der mich
trägt, wird morgen gequält werden. Amen, ich sage euch: Nicht wird die
Hand eines sterblichen Menschen sich an mir vergehen.» Offenbar trennt
sich der göttliche Jesus noch vor der Passion von seinem menschlichen
«Träger».
Nachtrag 16.4.2010:
Bei Jürgen Moltmann ist zu lesen: »Indem
Gott seinen Sohn nicht verschont, liegt darin eine Verschonung aller
Gottlosen. Sie sind als Gottlose gerade darum nicht gottverlassen, weil Gott seinen eigenen Sohn
verlassen und für sie dahingegeben hat. Darum liegt in der Hingabe des Sohnes an die
Gottverlassenheit der Grund für die Rechtfertigung der
Gottlosen und die Annahme der Feinde durch Gott«
Einmal
von der seltsamen Logik abgesehen: »...
Gott hat seinen eigenen Sohn verlassen .... Hingabe des Sohnes an die
Gottverlassenheit ...«
Wie von mir behauptet: Gott hat den
Menschen Jesus "verlassen"!
Das
könnte auch ein Grund sein, warum der Wiederauferstandene von
jenen, die IHM begegnet sind, nicht erkannt wurde. ER war eben nicht
die materielle Erscheinung des Menschen "Jesus" sondern "Etwas" ganz
anderes. Dazu wäre das Verschwinden Jesu aus dem Grab gar nicht
notwendig gewesen! Und verschiedenes Anderes aus der Jesus-Legende auch
nicht.
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Also 1977
Jahre später, jetzt im Jahr 2010: Eli,
Eli: WOZU wirklich?
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Noch eine Anfügung aus dem Blickwinkel
der zweiten großen postmosaischen Religion und zur eigenen Ehre Gottes:
WOZU eigentlich
dieser für den
Menschen Jesus martervolle Tod?
Dessen
Zulassung für die Muslime unmöglich
zu glauben ist! Die Ehre Gottes steht auf dem Spiel!
Nach
der Verneinung der Kreuzigung in Sure 4,158 folgt in 4,159 der
begründende Satz: "Gott ist allmächtig und allweise!"
(Für
Muhammad war es undenkbar, dass Gott
einen so wichtigen und frommen Gesandten einfach
hätte sterben lassen.)
Es ist interessant, dass der Ehre
Gottes im Alten und Neuen Testament und in den angeblich
von Gott angeordneten oder geduldeten Ereignisse durch die Jahrtausende
kaum Gewicht beigemessen wird. Es scheint sie im Fundamentalismus und
Biblizismus überhaupt nicht zu geben! Und in der Inquisition schon
gar nicht! Ein "ehrenvoller" Gott, der Frauen als
Hexen verbrennen lässt?
Undenkbar, oder?
Rudolf
Fiala