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Laienspiritualität 35:
 Egal was, wie und wem Sie für Ihre Spiritualität glauben - oder auch nicht -, Sie könnten es in eigener Verantwortung und Überzeugung tun.
Beim teilweisen oder ganzen "In-die-Hand-nehmen" Ihres Glaubens mögen Ihnen meine Abhandlungen und Linkangaben helfen.


Heilmittel "Vergebung", von Jesus und jüngeren Psychotherapeuten empfohlen

Hier irrt die Bibel sicher nicht ...


© Rudolf Fiala, 17.2.2010    rev.14.06.2022


"... und vergib uns unserer Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern ..."

Ist ja nach Matthäus aus der Bergpredigt als Teil des "Herrengebetes", umgangssprachlich "Vater Unser-Gebetes", bestens bekannt.

Weniger bekannt - und in Jahrzehnten in verschiedenen Kirchen am 14.2.2010 das erste Mal in der Reformierten Stadtkirche in Wien gehört - sind die beiden in der Bergpredigt folgenden Zeilen:

14 Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben,
15 Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.

Diese Zeilen schließen direkt an die oben erwähnte, bekannte Gebetszeile an und heben die Notwendigkeit des eigenen Vergebens quasi bestätigend nochmals hervor.


Bei Markus, also im ältesten(!) Evangelium, lautet der Text wie folgt, den ich für interessanter halte, weil vor ihm kein "Amen" steht, es sich also um Jesu Worte handeln kann. Er somit sogar Teil der Bergpredigt sein könnte, die bei Markus allerdings nicht in der späteren Form des Matthäus erwähnt wird.
Allerdings ist bei Markus die persönliche Vergebungsbereitschaft überhaupt der alleinige Kern von Jesu Gebetsunterweisung:

24Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihr's empfangen werdet, so wird's euch werden
25 Und wenn ihr stehet und betet, so vergebet, wo ihr etwas wider jemand habt, auf daß auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler
26Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, so wird euch euer Vater, der im Himmel ist, eure Fehler nicht vergeben.


Jesu "Berichterstatter", als erster Markus und der dann ihn als Quelle verwendende
Matthäus, betonten durch diese weitere Erwähnung ganz strikt die Sinnhaftigkeit der eigenen Vergebung, ja machten sie sogar zum gottgewollten Sine-qua-non. Zum "Chefauftrag", ohne dessen Befolgung vieles unerledigbar bleibt und bleiben wird.

Und noch etwas steckt - leider verborgen - in diesen Zeilen, sofern man sie als ernstgemeint auffasst:
Es ist definitiv sinnlos, Gott um Vergebung anzuflehen - wie es oft in manchen absolutionsorientierten Liturgien geschieht -, statt die von den eigenen Fehlern betroffenen Menschen um Vergebung zu bitten und/oder statt diesen anderen Menschen deren Fehler nicht zu vergeben. Die Flucht in irgend welche nebulöse Schuldgefühle und deren Deponierung bei Gott - samt Absolutionsbitte - ist zwar bequem, der Nutzeffekt und die Nachhaltigkeit aber bezweifelbar.

Wenn man diesen Gedanken in die Tiefe entwickelt bleibt als Quintessenz, dass man für jene "Sünden" und Missverständnisse, die man anderen Menschen angetan hat, dann ja Gott gar nicht mehr um Vergebung bitten muss!

Ein klassisches eindeutiges Beispiel von "Ihr habt euch das gegenseitig oder einseitig angetan, also erledigt das gefälligst wieder in eigener Verantwortung!"

Dass man sich als halbwegs intelligenter Mensch dann auch erlöster und besser fühlen wird, als nach Vergebungsbitte an das Große Unbekannte, ist in der sozialen Wesenheit des Menschen begründet. Somit hier noch einmal der leicht veränderte Abhandlungstitel:
»Heilmittel "Vergebung", schon von Jesus, aber auch von modernen Psychotherapeuten dringendst empfohlen!«

Nachtrag 2.5.2010:
Kol 3,13 Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
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Interludium Hinduismus:
Die bewusste Vergebung als Teil eines aktiven Lebensweges scheint mir aus den "Drei Wegen" ableitbar:
aus dem Weg der Erkenntnis "jnanamarga"
aus dem Weg der Hingabe "bhaktimarga" und
aus dem Weg des Tuns "karmamarga"
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Im am 4.3.2010 gefundenen Vaterunser-Artikel der Freien Christen ist ab der Zeile
"Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern ..." viel Übereinstimmerndes zu dieser Abhandlung zu finden.

Ich habe die nie erfolgende Erwähnung dieser Matthäus-Zeilen seit Beginn dieser Abhandlungen 2008 einige Male schon als Mangel angeprangert - beispielsweise in meiner Vaterunser-Abhandlung -, auch weil ich an deren psychotherapeutische Macht glaube. Was manchem Menschen helfen würde; Angewandte Psychotherapie schlechthin.
Dass das nur mit der eigenen vollsten Überzeugung funktionieren kann, erschwert leider den Vorgang.

Dazu  bedarf es auch des bewussten Willens, vergebend - schenkend und/oder akzeptierend - tätig zu werden.

Und den Prozess nicht herabzuwürdigen, oder in einen Vergebungswettbewerb mit den sinngemäßen Worten einzutreten: "Waaaas, der/die will mir vergeben, so eine Frechheit!" Die gut gemeinte Vergebungstat als paranoiabasierte Beleidigungsempfindung, auch das ist leider zu befürchten.
Das kann man sicher akademisch geschliffener ausdrücken, aber Sie wissen vermutlich, wie ich es meine.

Bedenkeswert wäre noch, dass Nicht-Vergeben keine Nebenbeihandlung ist, sondern in vielen Fällen eine hoch aggressive Aktivität gegen einen anderen Menschen - und/oder gegen sich selbst - mit entsprechenden psychischen und physischen Folgen darstellt.

Es war daher für mich eine sehr große Freude eine Predigt von Pfarrer Johannes Langhoff in der Reformierten Stadtkirche in Wien am 14.2.2010 zu hören, ja sie gleichsam zu genießen.
Sie erreichen diese mit folgendem Link und möge sie auch Ihnen wertvoll erscheinen: Vergebungspredigt 


Rudolf Fiala

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