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Laienspiritualität 63:
Egal was, wie und wem Sie für Ihre Spiritualität glauben - oder auch nicht -, Sie könnten es in eigener Verantwortung und Überzeugung tun.
Beim teilweisen oder ganzen "In-die-Hand-nehmen" Ihres Glaubens mögen Ihnen meine Abhandlungen und Linkangaben helfen.

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Rudolf Fiala, 6. 2. 2012      check 17.06,2022
Ich meine, dass diese Predigt viel zu schade ist, in der Anonymität eines
chronologischen Inhaltsverzeichnisses immer mehr zu verschwinden.
Somit gebe ich ihr gerne Platz, wieder aus der Versenkung aufzutauchen.  

Mystik: Gott in allem, alles in Gott

Predigt über Joh. 14, 15-21 im ökumenischen Gottesdienst am 28. 5. 2011
von Gabriele Lang-Czedik
©

 „Liebe ökumenisch versammelte Gemeinde,

Hoch denkt Jesus von den Menschen, seinen Geschwistern, wenn er hier sagt: „Gott sendet Euch den Geist der Wahrheit. Ihr kennt ihn, weil er bei Euch bleibt und in Euch sein wird.”Der Geist der Wahrheit wohnt IN den Menschen, die mit Gott in Verbindung sind, die sich nach Gott sehnen, die Gott lieben. Der Heilige Geist, nicht fern, nicht nur auf die Apostel beschränkt, sondern nah bei uns - ja, in uns, der Geist der Wahrheit … Ein paar Verse später (vs. 26) steht noch: „Der Beistand in Euch, der Heilige Geist, wird Euch alles lehren…”
Ihr werdet es in Euch selbst wissen und erkennen.
Kein Wunder, dass die Kirchenlehrer den Heiligen Geist später ziemlich heruntergespielt haben… Entweder in der Dogmatisierung als dem Vater und dem Sohn untergeordnet – oder in der Bildersprache des Mittelalters und des Barock als kleiner Vogel, der halt so über Gott Vater und Sohn herumflattert…
Nach Jesu Worten ist der Heilige Geist aber der Stellvertreter Christi auf Erden. Und er flattert nicht heimatlos irgendwo herum, sondern dieser Geist der Wahrheit hat seine Wohnung in uns.
Er ist der Anteil Gottes in uns, nicht weniger. Damit wohnt Gott auch in uns, in Dir, in mir.
Und Du und ich, wir sind mit ihm hineingenommen in die Trinität  - und das ist stark!
So wie Jesus dann ja auch über sich und uns sagt: „An jenem Tag werdet Ihr erkennen: Ich bin in Gott, meinem Vater, ihr seid in mir und ich in Euch.”Das war den Kirchen vielfach zu steil. Denn wo bleiben da die verfassten Kirchen und ihre Dogmen? Die mittelalterliche Kirche hat nur wenige ihrer Mystiker leben lassen (wie Meister Eckhart und Teresa von Avila etwa, die hatten Glück), andere Einzelne und ganze Bewegungen wie die Beginen (siehe hier Kurzinfo: Fußnote) wurden beiseite geschafft, so autonom und kirchenunabhängig sollten die Menschen nun wieder nicht sein.
Und auch dem guten Martin Luther waren die evangelischen Mystiker seiner Zeit nicht recht koscher, er nannte sie Schwärmer, wehrte sie ab und ließ sie z.T. auch verfolgen.
Und auch später hat sich der Protestantismus schwer getan mit der Mystik…
Zwar hat der evangelische Glaube immer gesagt:
„Du kannst selbst in der Bibel das Wort Gottes lesen und es auch verstehen durch den Heiligen Geist.” - Aber in Wirklichkeit „... sagt Dir dann doch der Pfarrer in der Predigt, was Du glauben sollst und darfst.”
Dennoch haben die christlichen Mystiker neben dem Hauptstrom der beiden Kirchen in allen Jahrhunderten das gelebt, was Jesus selbst gelebt und seinen Jüngern versprochen hat:

Der Geist Gottes ist in uns und wir können selbst in einer innigen Verbindung zu Gott leben, die uns dann immer mehr erfasst… Und diese Wahrheit ist tiefer als alle Dogmen, die uns irgendjemand sagen kann… Die kirchlichen Lehrsätze können nicht mehr als Schalen sein, die versuchen, das tiefste Geheimnis in sich aufzubewahren. In diesen Schalen kannst Du es konservieren und weitergeben über die Jahrhunderte. Aber die Dogmen sind noch nicht die Wahrheit selbst. Die Wahrheit ist tiefer als Worte es sagen können. Man kann es im Grunde nur selber spüren und erfahren. Manchmal momentweise, unverhofft, wie ein Aufleuchten Gottes in der Seele.
Und dann immer tiefer auf einem Weg mit Gott ein ganzes Leben hindurch… Das immer mehr zu einer inneren Gewissheit wird: Gott ist in mir und ich in Gott.
Und indem ich in Gott eintauche, tauche ich ein in das Wesen aller Dinge, weil Gott unendlich weit und groß ist.
Und zugleich immer mehr das Gefühl, wie ungenügend Worte sind.
So als ob ich den Duft einer Rose darstellen soll mit groben Holzscheiten… Und doch weiß ich, dass die Rose duftet - und dass ihr Duft das schönste ist, das ich je eingeatmet habe.

So ist der Weg der Mystik ein selber Atmen, Riechen, Schmecken Gottes, ein Tasten, Spüren, Umarmen Seiner Liebe… ein Hören der Stille, ein Schauen der Seele – klarer als jedes Außen-Bild - tief in mir, unauslöschlich eingeprägt…
Und doch zugleich ein Wissen, dass dieses Bild nicht mir gehört, viel eher ich ihm,
dass die Stille für alle da ist - wie ein weiter See, aus dem alle Wesen trinken können,
und der Duft Gottes sich für alle verströmt, dem auch ich verfallen bin…
Und seither möchte ich in allen Kirchen-Dogmen diesen zarten Klang Gottes durchhören,
ich möchte in den Predigten den Duft Gottes riechen in den Lehrsätzen die Umarmung Gottes spüren… sonst sind sie nicht Verse Gottes für mich, sondern leere Sätze von Menschen…Dafür wagt es der Heilige Geist in uns, manchmal aufzujauchzen bei Versen von jüdischen Mystikern oder muslimischen Sufis, bei Sätzen vom Tao oder von Buddha…
Überall, wo der Geist der Wahrheit in uns Gott spürt, riecht, schmeckt, da ist er unmittelbar daheim. Und fühlt sich zugleich in Gemeinschaft mit allen Menschen, ja, mit allem, was lebt.
Die Mystiker aller Religionen und Konfessionen sprechen  geradezu dieselbe Sprache:
- in meinem Körper bin ich daheim, er ist Wohnort Gottes
- Gott ist mir zugewandt, ist mir gut, will in mir leben
- mein Ich ist mir nicht mehr wichtig als Individuum, sondern als möglichst leerer Raum für Gott
- ich sehe mich nicht im Unterschied zu den anderen Menschen, sondern als ganz ähnlicher Teil von allen
- Die Menschheit sehe ich nicht als Bestimmerin über die Natur, sondern als Teil von allem, was lebt
- Die Welt sehe ich nicht als schlimmes Gegenüber Gottes, sondern als von Gott durch-drungen, durch und durch. Dadurch lebt Gottes Liebe in allem, leidet mit der Schöpfung, belebt sie, durchatmet sie, bewegt Menschen zur Liebe, zum Glauben, zum Handeln in Verantwortung, wo immer sich Menschen für Gott öffnen, der in ihnen lebt. 
Amen.“
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Fußnote:
Als Beginen und Begarden wurden ab dem 13. Jahrhundert die Angehörigen einer Gemeinschaft christlicher Laien bezeichnet. Beginen (weibliche Mitglieder) und Begarden (männliche Mitglieder) führten ein frommes, eheloses Leben in ordensähnlichen Hausgemeinschaften, wurden von der römisch-katholischen Kirche teilweise als häretisch gebrandmarkt und sahen sich der Verfolgung durch die Inquisition ausgesetzt. Zu Beginn der Frühen Neuzeit wurden die Reste der Glaubensgemeinschaft kirchlich integriert oder schlossen sich der Reformation an.

- - - Ende des Teils der Predigt von Frau Pfarrerin Gabriele Lang-Czedik - - - 
Spüren Sie auch jenes wärmende Feuer in diesen Worten, das doch so notwendig ist für unser Wohlbefinden? Für ein Wohlbefinden, das uns doch letztendlich mit vielen der uns belastenden Unverträglichkeiten fertig werden lässt?
Das die Eiseskälte mancher unmenschlichen Zumutung und Beliebigkeit eliminiert und der Ethik wieder den ihr zustehenden Wirkungsraum gibt?

Für sehr bedenklich halte ich, dass sich der moderne Moral-Dogmatismus und seine Schwester, die moralinsaure Freiheitseinschränkung, oft in krassem Widerspruch zu einem gesunden ethischen Empfinden positionieren. Statt »Helfen« eben »Verurteilen«, ohne jedes gottgewolltes - wenn Sie wollen »natürliches« - Recht dazu zu haben.
Meinungsfixierte, von sich selbst erschaffene Philosophier- und Geldvermehrungsvereine ohne jeden verifizierbaren Wahrheitsanspruch - auch ohne Verifizierbarkeit des versprochenen Seelenheils - »glauben« ein Recht zu haben, über Menschen, die eigentlich keinerlei wirklichen Bedarf an diese verqueren »Hilfe« hätten, zu entscheiden und damit zu herrschen. Eingerüstet in den Stahl des selbstgeschmiedeten Lehr-"Amtes".


Wir Evangelischen Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses kennen kein Lehramt, das Glaubensinhalte, Dogmen und Folklorismen vorschreiben darf. Umso bedauerlicher ist es, dass es evangelikale Gruppen/Gemeinden, aber auch Einzelpersonen gibt, die über den Umweg eines gewissen fundamentalistischen Biblizismus die evangelische Freiheit zu beschneiden versuchen! Und denen es auch gelingt, je vertrauensvoller und anlehnungsbedürftiger Menschen - oder lokale Menschengruppen - sind, die »freudig« Ihre Eigenverantwortung aufgeben und sich im Evangelikalismus, ähnlich wie im Katholizismus geborgen fühlen. Freiheit ade...

Dass das auch ganz anders sein kann können Sie in der früheren Abhandlung quasi dokumentiert lesen, die größtenteils ebenfalls auf Erkenntnissen beruht, die ich dank Besuchen in der oben angeführten Johanneskirche Wien 23. und ihrer charismatischen leitenden Pfarrerin gewonnen habe:
50. Beginnt das Licht  der Neuen Reformation endlich stärker zu leuchten? 3.11.2010
Eine gehörte, mir befreiend scheinende Predigt am Reformationstag 2010; und ein evang. Höllen-Scherz.

Und hier sei auch gleich eine Abhandlung angeführt, die ich für passend zu der obigen Predigt halte:
49. Ein kleiner Satz entlarvt die Unnotwendigkeiten jedes traditionellen Fundamentalismus

Auch dazupassend:
29. Calvins drei einfache Wort, aber Millionen spekulativer, unbestätigbarer Buchseiten, 15.10.09:

Und für neue Besucher meiner Website eine der wichtigsten Abhandlungen:
4. Glaubensfreiheit: Bischofsworte, Priesterworte, Denkerworte, 18.6.2008  Wo und wann in der langen Kirchengeschichte hat ein Gott uns unsere Eigenverantwortlichkeit genommen? Wo und wann in der Kirchengeschichte hat ein Gott jemandem Anderen ausdrücklich und unwiderruflich die Verantwortung für unsere eigene Glaubensempfindung übertragen?

Ich meine, dass in Ergänzung hier die mehrfach bei mir lesbaren panentheistischen Worte von 
Angelus Silesius, Arzt und Priesters  (1627-1677) "Mensch, werde wesentlich!" gut passen:


Aus dem Cherubinischen Wandersmann von Angelus Silesius:
    Der Himmel ist in dir:
    Halt an, wo laufstu hin, der Himmel ist in dir;
    Suchstu Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.

    Gott wohnt in einem Licht, zu dem die Bahn gebricht:
    Wer es nicht selber wird, der sieht Ihn ewig nicht.

    Wie Gott im Menschen:
    Gott ist noch mehr in mir, als wann das ganze Meer
    In einem kleinen Schwamm ganz und beisammen wär.

    Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren 
    und nicht in dir: du bleibst noch ewiglich verloren.

    Beschluss:
    Freund, es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen,
    So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen.
   
"So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen." Lese in Dir selbst und erhoffe nichts von Dir wesensfremden Teilen der Außenwelt.
Betonung auf "wesensfremd": Anregungen verwandter Seelen sind ja eine Bereicherung.



Rudolf Fiala
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