Predigt
über Joh. 14,
15-21 im ökumenischen Gottesdienst am 28. 5. 2011
von Gabriele Lang-Czedik ©
„Liebe
ökumenisch versammelte
Gemeinde,Hoch
denkt
Jesus
von den Menschen, seinen Geschwistern, wenn er hier sagt: „Gott sendet
Euch den Geist der Wahrheit. Ihr kennt ihn, weil er bei Euch bleibt und
in Euch sein wird.”Der
Geist der Wahrheit wohnt IN den Menschen, die mit Gott in Verbindung
sind, die sich nach Gott sehnen, die Gott lieben. Der Heilige Geist,
nicht fern, nicht nur auf die Apostel beschränkt, sondern nah bei uns -
ja, in uns, der Geist der Wahrheit … Ein paar Verse später (vs. 26)
steht noch: „Der Beistand in Euch, der Heilige Geist, wird
Euch alles
lehren…”
Ihr werdet es in Euch selbst wissen und erkennen.Kein
Wunder,
dass die Kirchenlehrer den
Heiligen Geist später ziemlich heruntergespielt haben… Entweder in der
Dogmatisierung als dem Vater und dem Sohn untergeordnet – oder in der
Bildersprache des Mittelalters und des Barock als kleiner Vogel, der
halt so über Gott Vater und Sohn herumflattert…
Nach Jesu
Worten ist der Heilige Geist aber der Stellvertreter Christi auf Erden.
Und er flattert nicht heimatlos irgendwo herum, sondern dieser Geist
der Wahrheit hat seine Wohnung in uns.
Er ist der Anteil
Gottes in uns, nicht weniger. Damit wohnt Gott auch in uns, in Dir, in
mir.
Und Du und ich, wir sind mit ihm hineingenommen in die
Trinität - und das ist stark!
So wie Jesus dann ja
auch über sich und uns sagt: „An jenem Tag werdet Ihr erkennen: Ich bin
in Gott, meinem Vater, ihr seid in mir und ich in Euch.”Das
war den
Kirchen vielfach zu steil. Denn
wo bleiben da die verfassten Kirchen und ihre Dogmen? Die
mittelalterliche Kirche hat nur wenige ihrer Mystiker leben lassen (wie
Meister Eckhart und Teresa von Avila etwa, die hatten Glück), andere
Einzelne und ganze Bewegungen wie die Beginen (siehe
hier Kurzinfo: Fußnote)
wurden beiseite
geschafft, so autonom und kirchenunabhängig sollten die Menschen nun
wieder nicht sein.
Und auch dem guten Martin Luther waren die
evangelischen Mystiker seiner Zeit nicht recht koscher, er nannte sie
Schwärmer, wehrte sie ab und ließ sie z.T. auch verfolgen.
Und auch später hat sich der Protestantismus schwer getan mit der
Mystik…
Zwar
hat der evangelische Glaube immer gesagt:
„Du kannst selbst
in der Bibel das Wort Gottes lesen und es auch
verstehen durch den Heiligen Geist.” - Aber in Wirklichkeit „... sagt
Dir
dann doch der Pfarrer in der Predigt, was Du glauben sollst und darfst.”
Dennoch haben die christlichen Mystiker neben dem Hauptstrom der beiden
Kirchen in allen Jahrhunderten das gelebt, was Jesus selbst gelebt und
seinen Jüngern versprochen hat:
Der Geist Gottes
ist in uns und wir können selbst in einer innigen Verbindung zu Gott
leben, die uns dann immer mehr erfasst… Und diese Wahrheit ist tiefer
als alle Dogmen, die uns irgendjemand sagen kann… Die kirchlichen
Lehrsätze können nicht mehr als Schalen sein, die versuchen, das
tiefste Geheimnis in sich aufzubewahren. In diesen Schalen kannst Du es
konservieren und weitergeben über die Jahrhunderte. Aber die Dogmen
sind noch nicht die Wahrheit selbst. Die
Wahrheit ist tiefer als Worte es sagen können. Man kann es im Grunde
nur selber spüren und erfahren. Manchmal momentweise, unverhofft, wie
ein Aufleuchten Gottes in der Seele.
Und dann immer tiefer
auf einem Weg mit Gott ein ganzes Leben hindurch… Das immer mehr zu
einer inneren Gewissheit wird: Gott ist in mir und ich in Gott.
Und indem ich in Gott eintauche, tauche ich ein in das Wesen aller
Dinge, weil Gott unendlich weit und groß ist.
Und zugleich
immer mehr das Gefühl, wie ungenügend Worte sind.
So als ob
ich den Duft einer Rose darstellen soll mit groben Holzscheiten… Und
doch weiß ich, dass die Rose duftet - und dass ihr Duft das schönste
ist, das ich je eingeatmet habe.
So ist der Weg
der Mystik ein selber Atmen, Riechen, Schmecken Gottes, ein Tasten,
Spüren, Umarmen Seiner Liebe… ein Hören der Stille, ein Schauen der
Seele – klarer als jedes Außen-Bild - tief in mir,
unauslöschlich eingeprägt…
Und doch zugleich ein Wissen, dass
dieses Bild nicht mir gehört, viel eher ich ihm,
dass die
Stille für alle da ist - wie ein weiter See, aus dem alle Wesen trinken
können,
und der Duft Gottes sich für alle verströmt, dem auch
ich verfallen bin…
Und seither möchte ich in allen
Kirchen-Dogmen diesen zarten Klang Gottes durchhören,
ich
möchte in den Predigten den Duft Gottes riechen in den Lehrsätzen die
Umarmung Gottes spüren… sonst sind sie nicht Verse Gottes für mich,
sondern leere Sätze von Menschen…Dafür
wagt es der Heilige Geist in uns, manchmal aufzujauchzen bei Versen von
jüdischen Mystikern oder muslimischen Sufis, bei Sätzen vom Tao oder
von Buddha…
Überall, wo der Geist der Wahrheit in uns Gott
spürt, riecht, schmeckt, da ist er unmittelbar daheim. Und fühlt sich
zugleich in Gemeinschaft mit allen Menschen, ja, mit allem, was lebt.
Die Mystiker aller Religionen und Konfessionen sprechen
geradezu dieselbe Sprache:
- in meinem Körper bin ich daheim,
er ist Wohnort Gottes
- Gott ist mir zugewandt, ist mir gut,
will in mir leben
- mein Ich ist mir nicht mehr wichtig als
Individuum, sondern als möglichst leerer Raum für Gott
-
ich sehe mich nicht im Unterschied zu den anderen
Menschen, sondern als ganz ähnlicher Teil von allen
- Die
Menschheit sehe ich nicht als Bestimmerin über die Natur, sondern als
Teil von allem, was lebt
- Die Welt sehe ich nicht als
schlimmes Gegenüber Gottes, sondern als von Gott durch-drungen, durch
und durch. Dadurch lebt Gottes Liebe in allem, leidet mit der
Schöpfung, belebt sie, durchatmet sie, bewegt Menschen zur
Liebe, zum Glauben, zum Handeln in Verantwortung, wo immer sich
Menschen für Gott öffnen, der in ihnen lebt.
Amen.“