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dogmenfreie Gläubigkeit «
Laienspiritualität
46: Egal
was, wie und wem Sie für Ihre Spiritualität
glauben - oder
auch nicht -, Sie könnten es in eigener Verantwortung und
Überzeugung
tun.
Beim
teilweisen oder ganzen "In-die-Hand-nehmen" Ihres Glaubens
mögen Ihnen meine Abhandlungen und Linkangaben helfen.
Gastartikel
von Mag. Josef Bruckmoser: „Pilger ohne Masterplan”
Original
erschienen in den Salzburger Nachrichten, Sonderausgabe "Österreich
2020"
Veröffentlichung hier mit freundlicher Genehmigung aller
Zuständigen
© außer
Artikel:
Rudolf
Fiala, 17.7.2010 check 4.7.22

»Der Christ
der Zukunft wird ein
Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein.«
Diese Voraussage
stammt von Karl Rahner, einem der großen römisch-katholischen Theologen
der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Die
Reformbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre war zunächst aber in eine
andere Richtung gegangen. Dem mystischen Latein in der Messe folgte die
entzauberte Feier der Liturgie in der Muttersprache; anstatt sich dem
Geheimnis Gottes am Hochaltar zuzuwenden, kehrte sich der Priester am
Volksaltar den Menschen zu; wo der einzelne Gläubige sich seiner
privaten Betrachtung hingegeben hatte, kehrte das gemeinsame Gebet ein.
Das Programm der 1968er-Bewegung - der Bruch aller Tabus und die
Entzauberung der Welt - hatte vor den Mauern des Vatikans nicht halt
gemacht.
Ein halbes Jahrhundert danach
ist die Bilanz
zwiespältig. Zum einen sind die Reformen auf halbem Wege stecken
geblieben (Pillenverbot und Pflichtzölibat) und dadurch unglaubwürdig
geworden. Zum anderen hat die versuchte Öffnung zur Welt die numerische
Erosion nicht hintanhalten können. Wie politische Parteien und andere
tonangebende gesellschaftliche Kräfte hat auch die Kirche an Autorität
eingebüßt.
Das Ende des 20. Jahrhunderts
war geprägt von der
Auflösung der großen Erzählungen, es war sogar vom "Ende der
Geschichte" die Rede. Der Automatismus eines sich angeblich selbst
regulierenden Marktes sollte weltweit immer mehr Menschen immer mehr
Wohlstand bringen. Nach der Abdankung des Sozialismus war der
Kapitalismus die letzte große Saga.
Bis zum großen
Krach. Seit 2008 die große Finanz- und Wirtschaftskrise ausgebrochen
ist, will der Ruf nach mehr Geist statt nur Materie, nach mehr Politik
statt nur Materialismus nicht mehr verstummen. Sogar das böse Wort "Not
lehrt beten" kommt in den Blick. Das heißt nicht, dass die Menschen den
Kirchen bald wieder in Scharen zuströmen werden. Wohl aber wird vielen
die dramatische Leere bewusst, die sich hinter der Ideologie des
Immer-Besser, Immer-Schneller, Immer-Höher aufgetan hat. Die Summe des
Wirtschaftswachstums ist eine ständig steigende Quantität, die nicht
wie von selbst in eine höhere Lebensqualität umgeschlagen hat. Die
vermeintliche Rationalität der Zahlen hat sich als großer Schwindel
erwiesen. Wo Geld in rauen Mengen ward, war plötzlich nur mehr die
Leere schlechthin, die ins bodenlose stürzende Kurve der Statistiken,
das reine Nichts sozusagen.
Die Investmentbanken, die
Kathedralen des Kapitalismus, sind in sich zusammengestürzt. Aber
deshalb wird keine fluchtartige Hinkehr zu den Kathedralen der Kirchen
eintreten. Die deutschen Bundesländer in der Ex-DDR sind ein
selbstredendes Beispiel dafür, wie es sich - durchaus gut - ohne Kirche
lebt, wenn der Faden der Tradition gerissen ist. Die Menschen haben
vergessen, dass sie Gott vergessen haben.
2020 wird Karl
Rahner, spät aber doch, Recht bekommen. Die Kirche der Kanzelprediger
hat ebenso ausgedient wie eine stromlinienförmige und pflegeleichte
Religion. Es geht um ein erneuertes "Christentum von innen", wie es der
Münchener Philosoph Eugen Biser nennt. Das ist eine Religiosität, die
jede geistige, soziale und moralische Unterdrückung als unchristlich
erweist, und ein Christentum, das sich an dem großen Wort des Paulus
orientiert: "Zur Freiheit hat uns Christus befreit".
Der
Gottsucher 2020 ist wie ein Nomade in der geistigen Wüste, die uns das
20. Jahrhundert hinterlassen hat. Die Spuren, die scheinbar so klar in
die - bessere - Zukunft geführt haben, sind verweht. Jetzt gilt es, die
sieben Farben des Wüstensandes neu zu entdecken und ein Gespür dafür zu
bekommen, wo der Boden trägt und wo die Dünen nur in den Abgrund führen.
Das,
wovon wir 2020 geistig leben, wird weniger von außen als viel mehr von
innen kommen. An die Stelle von ein paar großen
gesellschaftspolitischen und religiösen Erzählungen werden Tausende
kleine Lebensgeschichten treten. Die Geschichten der Pilger, die den
Jakobsweg oder die "Via nova", den neuen Weg, gehen. Die Geschichten
von Müttern und Vätern, die nicht mehr beten können, die aber ihr Kind
in der Taufe unter den bewahrenden Schild des Ewigen stellen wollen.
Die Geschichten von Liebenden, die allen Statistiken zum Trotz ein
hoffendes Ja zueinander sagen. Die Geschichten geistlicher Menschen,
die an Wallfahrtsorten, in Klöstern oder Meditationszentren scheinbar
abgehoben von der Welt neue, mystische Zugänge zum Unverfügbaren leben.
Der
Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein. Er wird nicht aus Pflicht
jeden Sonntag in die Kirche gehen. Er wird sich vielmehr als Pilger
ohne Masterplan auf eine tägliche Suchbewegung einlassen und im Lärm
der Geschäftigkeit auf seine innere Stimme hören. Er wird leben, als ob
es Gott gibt. Nicht aus Angst und Schrecken vor der ewigen
Höllenstrafe, sondern aus der Gewissheit heraus, die Mitte seines
Lebens gefunden zu haben. 2020 wird "die Freiheit des Christenmenschen"
wahr.
Soweit
Mag
Josef Bruckmoser
Mir
ist dieser Artikel aufgefallen, wozu auch die im Zeitungsoriginal
lesbare Seitenüberschrift von Martin Haidegger „Höher als die Gegenwart
steht die Möglichkeit" beitrug.
Ich
fand darin viele
mir
verwandte Gedankengänge und spontan wandte ich mich an die Redaktion
mit der Veröffentlichungsbitte als Gastartikel
auf meiner Website.
Dieser Bitte wurde
entsprochen und Sie können den Artikel somit hier lesen.
Natürlich
hoffe ich, dass Sie ihn für ähnlich interessant halten als ich.
Dieser
Artikel ist freilich wieder eine der Bestätigungen, dass einer
"Befreite Gläubigkeit" ohne Zwänge von elitären - bezw. sich
selbst als elitär haltenden - Glaubensgruppierungen mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit die Zukunft gehören könnte.
Die derzeit
gehäuften Kirchenaustritte bedeuten ja nicht, dass Menschen ihre
persönliche Gläubigkeit ebenfalls ablegen.
Weiters
auch nicht, dass eine neue dogmenbefreite Gläubigkeit keine Chance
hätte. Sowohl für jeden einzelnen Menschen, aber auch für kirchliche
Organisationen ohne Fundamentalismus, Biblizismus, Hierarchien und
Alleinvertretungsansprüchen samt angemaßten Hirtenrechten an den
Kirchenschafen. Ohne ausschließlich für Getaufte(!)
Absolutions-zentrierte Gottesdiensten und ohne märchenhafte Blutkulte.
Dem
entspricht z.B. die
Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses
(H.B.) in Österreich.
Auch
in etablierten Kirchenkreisen sind befreiende Tendenzen -
quasi
aufblitzende aber wieder verglühende Sternschnuppen - mit
persönlichem Mystizismus festzustellen, siehe hier, und
die mystizierende Literatur,
erstaunlicherweise auch von definitiv röm. kath. Verfassern, nimmt zu.
In der Wiener Dombuchhandlung sind deren Werke prominent und
vielfältig vertreten, wie z.B. von David
Steindl-Rast ( *12.7.1926 in Wien), einem jetzt
amerikanischen Benediktinermönch, oder von Benediktinerpater Anselm
Grün.
Sogar
in der offiziellen röm.
kath. Presse "Die Woche in St. Stephan Nr.749, 11. - 18. April 2010"
ist von Jan Twadowski, polnischer Lyriker, Religionspädagoge
und katholischer Priester ein aufblitzender Funke zu lesen:
Glauben:
Wie oft muss
man den Glauben verlieren,
den
amtlichen, den aufgeblasenen,
den
lebensversichernden, den Glauben "von hier bis dahin",
um den
einzigen zu finden, den unverglühten, grünen,
den, der
einfach eine Begegnung im Dunkeln ist,
da
Ungewissheit zur Gewissheit wird,
zum wahren,
weil unglaublichen Glauben.
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Die
moderne Gehirn- und
Lernforschung bestätigt, dass ein erfolgversprechender Lehrer 3
Vorgänge beherrschen muss:
Einladen,
Inspirieren und Ermutigen
zum Weitermachen.
Es erscheint mir durchaus logisch
zu sein,
dass diese Vorgänge auch
für Priester und Pfarrer wichtig sind.
Sofern
Einladen zu, und Inspirieren durch einen spirituell hochwertigen
Gottesdienst funktioniert, krankt es in der Regel an weiterführenden
ermutigenden Gesprächen zur spirituellen Eigenverantwortlichkeit.
Der
Grund ist völlig klar: Kirchen brauchen authoritätsabhängige
Kirchen-Schafe und keine außerhierarchischen
Gläubigkeits-Individualisten. Wobei ich den Begriff Gläubigkeit ganz
bewusst überhöhend zum ekklesiologischen Standard-Glauben verwende. Zu
einem Buch-Glauben, dessen Basis, nämlich die Bibel, von
Grauslichkeiten und Unwahrheiten nur so strotz und mir der "Erfolg" der
Bibel nur durch die Uninformiertheit und Unmündigkeit der
Bibelbesitzer, aber auch durch die gezielt manipulative Auswahl seitens
der klerikalen Machtverwalter erklärbar ist. Siehe Blutrünstige Bibel.
Also:
Fort vom fundamentalistischen Dogmatismus und wenn es schon ein
...ismus sein soll: Ein persönlich adaptierter Panentheismus - (EinTeil
von) Gott ist in Allem, also auch in uns - scheint als
Konzept
gut geeignet zu sein.
Dazu
möchte ich noch erwähnen, dass dabei
"Gott" nicht ein menschenähnlich personifiziertes Subjekt darstellt,
sondern eher ein in letzter Konsequenz unerklärbares und unerkennbares
Ich-bewusstes Prinzip/Konzept mit Raum zu Hoffnung, Barmherzigkeit und
Beziehungsfähigkeit.
Und das in einem Kosmos, der
sogar für die bestinformierten Wissenschaftler immer mehr Geheimnisse
bereithält.
Je mehr wir durch entsprechene
Experimente und Ergebnisse erfahren, umso mehr wir das »Ganze«
eigentlich unerklärlich.
Materie? Gibt es nicht, alles nur
Energie, die auf geheimnisvolle Weise in Form gehalten wird und
interagiert.
Wie
die dazu notwendigen Informationen - "Am Anfang war das Wort" - lauten,
welcher "Gestalt" sie sind und Materie-schaffend und -erhaltend
kommunizieren, hat niemand nur die geringste Ahnung mit Anspruch auf
Verifizierung. Derzeit ist die Suche nach dem "Gottesteilchen"
Higgs Boson am LHC ein leeres Bemühen!
Makroskosmisch
die Theorie de (ersten?!?) Urknalls? Auch die ist ziemlich
zügig am sterben, weil sie die "Erste Ursache" nicht beschreiben kann.
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Der bestenfalls nur für den
röm. kath. Dunstkreis zuständige Papst Benedikt
XVI hat vor Jahren auf die Frage, wie viele Wege es zu Gott
gebe, einschränkungslos geantwortet:
„So viele, wie es Menschen
gibt!”
Nun, da dürfte überraschender und angenehmer Weise
wohl der "Traditionsfreie Mensch" Ratzinger Vater des Gedankens gewesen
sein! Vielleicht auch mit Hilfe des aufblitzenden Heiligen Geistes,
vielleicht ...
Rudolf
Fiala